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Generation glücklos

Von Eva Stanzl

Wissen

Bildungsrevolution in China als Bedrohung für Junge in Europa und USA.


Wien. Fast ein Viertel der EU-Bürger unter 25 Jahren sind arbeitslos. Im krisengebeutelten Spanien sind es mehr als die Hälfte, in Österreich sind es 8,9 Prozent. Die Wirtschaftskrise und eine zunehmende Konkurrenz aufgrund eines steigenden Bildungsniveaus in Wachstumsländern lassen sogar eine weiter sinkende Einkommenskurve für junge Menschen in westlichen Ländern befürchten. Das berichtet das Institut für Angewandte Systemanalyse (IIASA) in Laxenburg in einer Studie.

Wissenschafter um den Bevölkerungsexperten Vegard Skirbekk haben die Einkommen junger Menschen weltweit unter die Lupe genommen. Demnach ist die relative Armut von Menschen unter 40 in 23 westlichen OECD-Ländern seit den 1970er Jahren signifikant gestiegen. Relative Armut betrifft Menschen, deren Einkommen unter der Hälfte des Medianeinkommens ihres Landes liegt. Während dieser Wert Mitte der 1970er Jahre bei Jungen unter 40 noch bei 61 lag (100 steht für Armut), lag er 2005 schon bei 78. Analog dazu sank die relative Armut der Menschen zwischen 51 und 65 Jahren. Vor allem das Einkommen junger Männer sei im Vergleichszeitraum gesunken, sowohl schlecht als auch gut ausgebildet. Armut ist demnach nicht nur weiblich, sondern betrifft in der "Generation Praktikum" alle.

Für die Gründe der im finnischen "Yearbook of Population Research" publizierten Ergebnisse haben die IIASA-Forscher globale Einflüsse analysiert. "Eine lokale Ursachenforschung wäre zu kurz gegriffen, zumal die Ursprünge der Entwicklungen auf die 1980er Jahren zurückgehen und viele Länder betreffen", sagt Skirbekk.

Die Globalisierung habe die Zahl potenzieller Arbeitskräfte pro Job in den Himmel katapultiert. Eine europäische Firma muss nicht mehr europäische Löhne zahlen, wenn sie gleichermaßen Spezialisten und Arbeiter sucht, sondern kann einfach ihr Kapital und ihren Firmensitz verlegen und günstigere Arbeitskräfte aus China, Indien, Indonesien, Pakistan, Thailand oder Korea beschäftigen. Wirtschaftskonzerne haben nicht nur die Wahl, sondern können auch auf das hiesige Lohnniveau Druck machen. Das steigende Bildungsniveau in den genannten Ländern verstärke den Druck. Allerdings räumen die Forscher ein, dass gerade in China, das ein Sechstel der Weltbevölkerung beherbergt, die Zahl verfügbarer Arbeitskräfte langsam abnehme, als Effekt der Ein-Kind-Politik. "Dennoch lassen die Veränderungen langfristige Konsequenzen erwarten", so die Forscher. Denn nicht nur die wirtschaftliche Situation junger Erwachsener wird immer schlechter, sondern es steigt auch die ökonomische Unsicherheit. Die Voraussetzungen für eine Zukunftsplanung nach den eigenen Träumen sind also denkbar schlecht.

Wichtige Entscheidungen

"Gerade die Jahre, in denen sich junge Menschen von ihrer Familie loslösen und ein eigenes Leben aufbauen, sind ausschlaggebend für den Rest des Lebens. In jungen Jahren entscheiden wir über Ausbildung, Karriere, Partnerschaft und Familienplanung, mit langfristigen Auswirkungen auf unser Wohlbefinden. Wer an diesem Punkt scheitert, läuft Gefahr, nicht sein volles Potenzial entwickeln zu können", so Skirbekk. Besonders jungen Männern scheint dies immer schwerer zu fallen. Die Forscher sehen einen - wenn auch leichten - Anstieg der Suizidraten analog zu sinkenden Einkommen, wobei jedoch nicht hervorgeht, ob der Weg des kleineren Einkommens selbst gewählt war, etwa zur "Selbstfindung".

Interessanterweise berichten auch Frauen in Europa und den USA von weniger subjektiv empfundenem Glücksgefühl, obwohl ihre Einkommen (zwar von niedrigem Niveau, aber doch) seit 1970 im Durchschnitt gestiegen sind. "Regierungen könnten dem entgegenwirken. Der wichtigste Schritt wäre, mehr gut bezahlte Jobs für junge Leute zu schaffen", raten die Studienautoren.