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Krebs im Visier

Von Alexandra Grass

Wissen
Die Nebenwirkungen der Behandlungen führen nicht selten zum Therapieabbruch.
© Fotolia/prudkov

Highlights der Forschung: Neue Therapien, neuartige Strahlen und Früherkennung beim Bauchspeicheldrüsenkrebs.


Wien/Madrid. Fast täglich vermelden Fachmagazine neue Fortschritte, wenn es um das Thema Krebs geht. Weltweit bemühen sich Ärzte und Forscher intensiv darum, dieser immer mehr um sich greifenden Erkrankung Herr zu werden. Beim Europäischen Krebskongress (Esmo), der derzeit in Madrid stattfindet, traten nun besondere Highlights zu Tage, die Betroffenen Anlass zur Hoffnung geben.

Eine neue Arznei konnte bei Frauen mit einer bestimmten Art von Brustkrebs - dem fortgeschrittenen HER2-positiven Mammakarzinom - das Überleben um 16 Monate verlängern. An dieser Art leiden etwa 15 Prozent der Brustkrebspatientinnen. Dabei werden an der Oberfläche der Krebszelle vermehrt Rezeptoren gebildet, die den Tumor schneller wachsen lassen. Schon der bisher in Kombination mit einem Chemotherapeutikum verabreichte monoklonale Antikörper Trastuzumab, der die Wachstumssignale der Rezeptoren unterbricht, hatte eine wesentliche Verbesserung der Überlebenschancen gebracht. Der Effekt der Therapie lässt allerdings mit der Zeit nach.

16 Monate längeres Überleben

Das sogenannte Pertuzumab bietet nun eine zusätzliche Möglichkeit, die zu dem erfreulichen Fortschritt geführt hat. Mit dem neuen Wirkstoff, der gemeinsam mit dem Chemotherapeutikum und Trastuzumab verabreicht wird, überlebten die Patientinnen mit unheilbarem Mammakarzinom und Metastasen (Tochtergeschwüren) um 15,7 Monate länger als in der Vergleichsgruppe, wie Sandra Swain vom Washington Hospital Center beim Kongress berichtete. Die durchschnittliche Überlebenszeit stieg damit von 40,8 auf 56,6 Monate.

Auch beim besonders gefährlichen, weil zumeist zu spät erkannten Bauchspeicheldrüsenkrebs zeichnet sich ein Fortschritt ab. Forscher um Brian Wolpin vom Dana-Farber Krebsinstitut in Boston haben einen Marker im Blut identifiziert, der Grundlage für einen Früherkennungstest sein könnte. Die Diagnose von Pankreaskrebs ist nämlich keine einfache. Das Organ befindet sich tief im Körperinneren, sodass man für gewöhnlich keine Symptome verspürt. "Könnte die Erkrankung früher erkannt werden, wäre es möglich, sie erfolgreich zu heilen", betont Wolpin in "Nature Medicine".

Die Forscher fanden heraus, dass bei Patienten mit Pankreaskrebs der Spiegel verzweigtkettiger Aminosäuren (BCAAs) im Blut erhöht ist. BCAAs sind für den Zell- und Muskelaufbau notwendige essenzielle Aminosäuren, die der Mensch nicht produziert, sondern mit der Nahrung aufnimmt. Auch Studien an Mäusen zeigen, dass Tiere mit diesem Tumor einen höheren Spiegel aufweisen. Umgekehrt könnte dies ein Hinweis auf die Erkrankung sein.

Protonen statt Röntgen

Neuigkeiten auf dem Esmo-Kongress lenkten das Augenmerk auch auf die Möglichkeiten der Bestrahlungstherapien. Hier zeichnet sich mit den lasergestützten Protonenstrahlen eine vielversprechende Alternative zur herkömmlichen Radiotherapie ab.

Derzeit kommen in der Strahlentherapie Beta- (Elektronen), Röntgen oder Hoch-Energie-Photonen-Strahlen zum Einsatz. Erhebliche Vorteile erwartet man sich hingegen von den Protonenstrahlen. Sie erlauben hohe Strahlendosen bei gleichzeitiger optimaler Schonung des gesunden Gewebes.

Präsentiert wurde nun eine neue Technologie, die die Anwendung für deutlich mehr Zentren als bisher möglich macht. Derzeit sind die Anlagen noch extrem groß und sehr teuer. Anstelle eines Teilchenbeschleunigers könnten High Power Laser Systeme zur Erzeugung von Protonen eingesetzt werden. Diese Apparatur ist deutlich kleiner, beweglicher und um ein vielfaches kostengünstiger.

Zulassungen unterschiedlich

Obwohl es immer wieder zu Verbesserungen in der Krebstherapie kommt, profitieren nach wie vor nicht alle Patienten von diesen. So zeigen zwei neue Studien auf, dass der Zugang zu innovativen Arzneien zwischen Kanada, Europa und den USA, aber auch in der EU sehr unterschiedlich ist. Das liege nicht zuletzt an der ungleichen Zulassungsdauer. Die Forscher fanden heraus, dass die durchschnittliche Zulassungszeit bei der US-Behörde FDA sechs Monate kürzer war als in der EU (EMA) und 7,6 Monate kürzer als in Kanada. Die schnellste Zulassungszeit unter den untersuchten Substanzen hatte Cabazitaxel, das von der FDA für metastasierenden Prostatakrebs schon 17 Tage nach der Herstellerbewerbung zugelassen wurde. In Europa betrug die Zeit hingegen 11,03 Monate. Lang dauernde Prozesse haben aber massiven Einfluss auf die Behandlung von Krebspatienten, stellen die Studienautoren fest.

Therapietreue

Aber nicht nur die Zulassungszeit hat Einfluss auf den Behandlungserfolg, maßgeblich ist auch die Therapietreue der Patienten selbst. Mehr als 500 von knapp 8000 Krebspatienten beenden ihre Chemo- oder Hormontherapie wegen der Nebenwirkungen vorzeitig, wie eine britische Studie zeigt. Es gehe klar hervor, "dass die Verabreichung und Verschreibung von unterstützenden Therapien und ihre Befolgung durch Patienten essenziell sind", stellt der leitende Onkologe Christoph Zielinski von der Meduni Wien fest. Hier sollten Schritte zur Optimierung der Lebensqualität unter und nach einer Krebsbehandlung erfolgen, fordert der Mediziner.