
Wien. Das Immunsystem besitzt mit seinen Killerzellen die Fähigkeit, krankhaft veränderte Körperzellen zu erkennen und zum Wohle der Gesundheit effizient aus dem Weg zu räumen. Dies passiert tagtäglich in unserem Organismus. "Bei an Krebs Erkrankten ist es jedoch so, dass diese Fähigkeit an einem Punkt oder in einem System des Körpers versagt", beschreibt Michael Frass, Leiter der Spezialambulanz "Homöopathie bei malignen Erkrankungen" an der Klinik für Innere Medizin I im Wiener AKH den Knackpunkt der Krebsentstehung. Die natürlichen Killerzellen sind dann in ihrer Zahl und Aktivität reduziert.
Während es das Ziel der konventionellen Medizin ist, mit Chemotherapie, Strahlen und chirurgischen Eingriffen den Tumor gezielt zu treffen, bietet die Komplementärmedizin begleitend dazu unterstützende Maßnahmen, die während und nach diesen den Körper massiv belastenden Behandlungen vor allem zur Verbesserung der Lebensqualität beitragen. Auch gebe es bereits Hinweise darauf, dass ein Mehr an Lebensqualität verglichen mit der erwarteten Lebenszeit eine Lebensverlängerung mit sich bringt, betont der Mediziner. Eine entsprechend umfangreiche Studie führt Frass derzeit in Zusammenarbeit mit mehreren heimischen Kliniken an der Meduni Wien durch.
Nebenwirkungen lindern
Mit komplementärmedizinischen Maßnahmen wie dem Einsatz von Pflanzenextrakten, Enzymen, Vitaminen, Spurenelementen, Traditioneller Chinesischer Medizin, aber auch der Homöopathie, ist es möglich, Nebenwirkungen der konventionellen, schulmedizinischen Therapien zu lindern. Vorwiegend sind dies Übelkeit, Müdigkeit (Fatigue-Syndrom), Hautausschläge, Gefühlsstörungen an Händen und Füßen (Polyneuropathie) sowie der Abfall der Zellzahlen im Immunsystem (Leukopenie). Auch können Schmerzen reduziert und Zweiterkrankungen schneller geheilt werden.
Ziel ist es überdies, den Körper "wieder so in die ursprüngliche Form zu versetzen, dass er imstande ist, sich wieder selbst gegen Krebszellen zu wehren", betont Frass im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Jede komplementärmedizinische Methode bewirkt dies jedoch auf unterschiedliche, oft auch ergänzende, Art und Weise.
Einen der Schwerpunkte in der Begleitung von Krebspatienten bildet die meistens hoch dosierte Verabreichung von Vitaminen, Spurenelementen, Aminosäuren und Fettsäuren - die orthomolekulare Medizin. Für einen reibungslosen Ablauf der Stoffwechselvorgänge im Körper sind diese Substanzen unentbehrlich.
Hier kommt vor allem der Selentherapie eine besondere Rolle zu. In Form von Natriumselenit ist dieses Spurenelement in der Lage, die durch Chemo- und Strahlentherapie vermehrt entstehenden freien Radikale weitgehend zu neutralisieren. In gesunden Zellen rufen diese sogenannten freien Radikale, das sind chemisch hochreaktive Sauerstoffmoleküle, die auch der gesunde Körper tagtäglich produziert, Entartung, Funktionsverlust und Entzündungsreaktionen hervor. Bestimmte durch das Selen aktivierte Enzyme können die gesunden Körperzellen davor schützen.
Selen, Vitamin C, Enzyme
Bei Tumorzellen hingegen reduziert das hoch dosiert zugeführte Natriumselenit erheblich den Schutzmechanismus und macht diese damit auch anfälliger gegenüber Chemotherapeutika und Strahlen. Der unterschiedliche Effekt liegt vor allem in den unterschiedlichen Stoffwechselvorgängen und Regenerationsmechanismen von gesunden und Krebszellen begründet, erklärt der Wiener Komplementärmediziner und Allgemeinarzt Christian Plaue. Weitere Vorteile von Selen sind die Stabilisierung des Immunsystems und die Reduktion von Nebenwirkungen.
Auch Ascorbinsäure (Vitamin C) kann eine Krebsbehandlung unterstützen. Dieses Vitamin ist nicht nur für die Wundheilung nach Operationen, sondern auch die Regeneration wichtig, betont Plaue. Es dürfe jedoch nie gleichzeitig mit Natriumselenit verabreicht werden, da Vitamin C dessen Wirkung aufhebt, warnt der Mediziner. Hoch dosiertes Vitamin C ist auch in der Lage, den durch eine Chemotherapie stattfindenden Abfall der weißen Blutkörperchen einzudämmen.
Eine weitere Begleitung stellt die Enzymtherapie dar. Die natürlichen Killerzellen werden stimuliert und das Risiko zur Entstehung von Metastasen kann damit verringert werden. Enzympräparate bestehen vor allem aus Bromelain, Papain, Trypsin und Chymotrypsin. Sie verbessern die Fließeigenschaften des Blutes, machen die Tumorzellen erkennbarer und erhöhen die Verträglichkeit von Chemo- und Strahlentherapie.
Einen wesentlichen Anteil an einer effektiven Behandlung haben auch die Bereitstellung von Nährstoffen wie Vitaminen und Spurenelementen und ihre Zusammensetzung, betont der deutsche Ganzheitsmediziner Marcus Stanton. Denn diese wirken unmittelbar auf den Zustand der Zelle und damit auf die Mitochondrien - die Zellkraftwerke - ein.
Das Kraftwerk der Zelle
Durch krankmachende äußere und innere Einflüsse werden die Mitochondrien geschädigt. Je nach Gewebe besitzt der Mensch pro Zelle 800 bis 12.000 solcher Kraftwerke. "Schwermetalle, Gifte, freie Radikale, bestimmte Arzneien und eine mangelnde Nährstoffversorgung setzen deren Funktionen herab", erklärt Stanton. Durch den richtigen Impuls könnten diese Mitochondrien jedoch wieder angeschaltet werden.