Wien. (est/apa) In Westeuropa erkranken und sterben immer weniger Menschen an HIV und Aids. Von einem Sieg über die Immunschwächekrankheit ist man aber immer noch weit entfernt. Dabei wäre er möglich, betonten Experten in Wien anlässlich des am Montag bevorstehenden Welt-Aids-Tags.

Bisher wurden in Österreich 3792 Aids-Erkrankungen bestätigt. 1986 Personen sind daran gestorben. 10.000 bis 15.000 Österreicherinnen und Österreicher leben derzeit mit dem HI-Virus. Die Zahl der diagnostizierten Infektionen ist rückläufig: "In den ersten drei Quartalen wurden heuer 307 Neuinfektionen festgestellt, im Vorjahr waren es im Vergleichszeitraum 360. Wir gehen für 2014 von 400 bis 420 Neuinfektionen aus - im Vorjahr waren es 481", sagte Dennis Beck, Obmann der Aids Hilfe Wien, vor Journalisten am Donnerstag. Ob das tatsächlich als Erfolg gewertet werden könne, sei jedoch offen, da vielleicht nur weniger Menschen zum Test gekommen seien. Um die Krankheit zurückzudrängen, müssten möglichst alle Infizierten davon wissen und entsprechend behandelt werden, sagte Beck: "Die Waffen, mit denen man den Kampf gegen HIV/Aids gewinnen kann, sind Prävention, Früherkennung und Therapie."

Niedrigere HIV-Neuinfektionsraten und weniger Aids-Todesfälle werden seit einiger Zeit beobachtet. Gesundheits- und Sozialsysteme wie jenes in Österreich würden besonders gute Voraussetzungen für einen Sieg über die Krankheit bieten, unterstrich Beck. Dennoch würden sich hierzulande pro Tag ein bis zwei Menschen mit dem Virus, das das Immunsystem schwächt, anstecken. Auch in Österreich handelt es sich bei den HIV-Diagnosen um Spätdiagnosen, weil Betroffene spät zum Test gehen. Je früher HIV festgestellt wird, desto effektiver kann man einen Ausbruch der Aids-Erkrankung verhindern. "Diese Patienten leben fast so lange, als wären sie gesund - bei guter Lebensqualität", sagte der Wiener Pulmologe und Aids-Pionier Norbert Vetter.

Die antiretrovirale Behandlung drückt die Konzentration von HI-Viren unter die Nachweisgrenze. Damit wird HIV/Aids zu einer chronischen Erkrankung. Die Infektiösität der Betroffenen wird durch die Therapie faktisch beseitigt, wodurch sie nicht mehr ansteckend sind.

Vetter nannte ein anderes, schlagendes Beispiel für die Wirkung der Behandlung: Ein 17-Jähriger war um 3 Uhr Früh von seinem Vater an seine Abteilung am sozialmedizinischen Zentrum Baumgartner Höhe gebracht worden. Der Bursch hatte erzählt, er hätte sich (aus psychischen Gründen, Anm.) Blut von einem HIV-Positiven injiziert. Der 17-Jährige erhielt eine Notfall-Anti-HIV-Therapie zur Prophylaxe. Er blieb HIV-negativ, obwohl es sich um eine Höchstrisiko-Situation gehandelt hatte.

Obwohl es vermutlich eine gute Idee wäre, können Aids-Schnelltests nicht bei jedem Arzt gemacht werden. Hausärzte schicken Bluttests in Labor oder nehmen gar kein Blut ab, "weil es mit einem Aufwand verbunden ist und die Bezahlung nicht geregelt ist", konstatiert Vetter. Wer wissen will, ob er HIV hat, muss also auf Testergebnisse warten oder für Schnelltests Spezialisten wie die Aids Hilfe aufsuchen.

Drei Mal so viel Betroffene in Osteuropa und Zentralasien


Dass ein Sieg über Aids möglich wäre, zeigen auch Zahlen des Hilfsprogramms der WHO (UNAIDS) und des Europäischen Zentrums für Krankheitskontrolle. "Ende 2013 lebten weltweit 35 Millionen Menschen mit HIV. 2013 gab es 2,1 Millionen Neuinfektionen - um 38 Prozent weniger als 2001", berichtet UNAIDS. Auch die Zahl der Aids-Todesfälle sei mit 1,5 Millionen weiter gesunken: "Das ist eine Reduktion um 35 Prozent seit dem Gipfel im Jahr 2005." 13,6 Millionen Menschen befanden sich Mitte 2014 in antiretroviraler Therapie. Europa habe es allerdings "nicht geschafft, das Millenniumsziel zu erreichen, bis 2015 die HIV/Aids-Epidemie zu stoppen", erklärt WHO-Regionaldirektorin Zsuzsanna Jakab.

Weiterhin die meisten HIV-Positiven leben mit 24,7 Millionen Menschen im Afrika südlich der Sahara. 58 Prozent davon sind Frauen. In dieser Region gab es 2013 rund 1,5 Millionen Neuinfektionen. In West- und Osteuropa sowie in Nordamerika leben 2013 2,3 Millionen Personen mit HIV/Aids. Es gab 27.000 Todesfälle. Im Unterschied zu Westeuropa, der EU und den Ländern des europäischen Wirtschaftsraumes, wo ein ständiger Rückgang der Erkrankungszahlen registriert wird, haben sich die Zahlen in Osteuropa und Zentralasien seit 2004 verdreifacht, berichtet das Europäische Zentrum für Krankheitskontrolle in Stockholm.