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Beherztes Warten

Von Alexandra Grass

Wissen

Innsbrucker Kunstherzpatient konnte nach drei Monaten "gehenden Fußes" in die Reha entlassen werden.


Wien/Innsbruck. Wenn das Herz nicht mehr in der Lage ist, den Körper ausreichend mit Blut zu versorgen, dann muss rasch nach Abhilfe gesucht werden. Ein Lösungsansatz liegt dabei in der Transplantation. Doch Spenderherzen sind rar und die Kompatibilität mit dem Empfänger ist nicht immer gegeben. Zumeist setzt die Medizin auf Miniaturpumpen, die das körpereigene Herz in der Leistungserbringung erfolgreich unterstützen können.

In manch seltenen Fällen von Herzinsuffizienz jedoch ist das körpereigene Organ so sehr geschädigt, dass es als Ganzes durch ein künstliches ersetzt werden muss. Innsbrucker Herzchirurgen ist dabei nun ein Meilenstein geglückt. Drei Monate nach einem solchen Totalersatz konnte ein 55-jähriger Patient - nicht nur zur Freude der behandelnden Ärzte - "gehenden Fußes" das Krankenhaus verlassen, betonte Michael Grimm, Leiter der Innsbrucker Uniklinik für Herzchirurgie am Montag.

In einer siebenstündigen Operation war dem Mann das komplette Herz durch ein sogenanntes "Total Artificial Heart" ersetzt worden. Inzwischen könne der 55-Jährige bereits mehrere Stockwerke selbständig bewältigen.

Das Kunstherz-System besteht aus dem eigentlichen Kunstherz im Körperinneren und einem durch Schläuche verbundenen Druckluftantrieb, der außerhalb des Körpers liegt. Die für die Energieversorgung nötigen Akkus kann der Patient selbständig tauschen. Dies schafft Unabhängigkeit vom medizinischen Alltag. Nach der Rehabilitation "geht er wie geplant nach Hause und wird von uns dann für eine Herztransplantation gelistet", betonte der Operateur Herwig Antretter.

"Eurotransplant"

Die Chance, an ein Spenderherz zu gelangen, ist aufgrund der Tatsache, dass Österreich dem Länderverbund "Eurotransplant" angehört, um ein Vielfaches höher. Die Stiftung, an der neben Österreich die Länder Belgien, Kroatien, Deutschland, Ungarn, Luxemburg, Niederlande und Slowenien beteiligt sind, sorgt anhand strenger Kriterien für eine passgenaue Zuteilung von Spenderorganen.

Ziel sei es, "das beste Organ für den besten Empfänger" zu finden, betont der Wiener Herzchirurg Bruno Podesser vom Department für biomedizinische Forschung der MedUni Wien im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". "Das ist dann vielleicht jemand, der in Belgien auf ein Herz wartet und nicht in Österreich. Dafür kommen viele Organe aus Belgien auch unseren Patienten zugute."

Die technische Weiterentwicklung des Pumpenersatzes hat in den vergangenen Jahren zu einer Reduzierung von Herztransplantationen geführt, betont Podesser. Viel mehr Patienten könnten heutzutage, unterstützt durch Technik, ein "lebenswertes Leben" führen.

Die Geräte selbst sind im Laufe der Zeit immer mehr miniaturisiert, mittlerweile Handteller-groß und können oft schon minimalinvasiv - also per Knopflochchirurgie - eingesetzt werden.

Der Herzmediziner wählt zwischen drei Möglichkeiten der Anwendung, beschreibt Podesser. Mit der sogenannten "Bridge to transplant" werden jene Patienten versorgt, die dringend ein Spenderherz benötigen, denen jedoch keines zur Verfügung steht.

Dabei setzt der Herzchirurg entweder eine Pumpe ein, die das kranke Herz in der Leistung unterstützt, oder eben ein komplettes Kunstherz. Sobald ein geeignetes Spenderorgan zur Verfügung steht, wird das Kunstherz wieder entnommen und ein menschliches Herz transplantiert. Diese Option besteht in Österreich allerdings nur bis zum 65. Lebensjahr.

Bei Patienten über 65 Jahren oder jenen, deren Gesundheitszustand eine Herztransplantation nicht zulässt, spricht man von "Destination-Therapie". Dabei handelt es sich um eine permanente, lebenslange, künstliche Unterstützung.

Blutverdünnung der Schlüssel

Drittes Therapieziel ist die "Bridge to recovery". Sie kommt bei jenen Patienten zum Einsatz, bei denen es etwa aufgrund einer viralen Herzmuskelerkrankung zu einer akuten Verschlechterung der Pumpleistung des Herzens kommt, erklärt Podesser. Tritt die erwünschte Erholung des eigenen Organs ein, kann das Kunstherz wieder entfernt werden.

Während man bei einer Herztransplantation die Abstoßungsreaktionen des Körpers im Griff haben muss, setzen die Mediziner beim Kunstherzen auf die Kontrolle der Blutgerinnung. "Die Blutverdünnung ist der Schlüssel" für eine reibungslose Funktion, betont Podesser. Denn an den künstlichen Oberflächen würde das Blut gerinnen und zu Thrombosen führen.

In der Innsbrucker Uniklinik hofft man einstweilen, schon kommendes Jahr ein geeignetes Spenderherz zu erhalten. Bis dahin hält den 55-jährigen Vorzeigepatienten das Kunstherz vital.