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"Zuckersüße Teufelsmischung"

Von Eva Stanzl

Wissen

Glühwein, Punsch & Co enthalten einige Stoffe, auf die der Körper mit Unverträglichkeiten reagieren kann.


Wien.Advent, Advent, ein Lichtlein brennt. Gefühlte Milliarden Lichter sind es mittlerweile auf den heimischen Christkindlmärkten, die von Jahr zu Jahr größer werden. Allein in der Bundeshauptstadt ist in den vergangenen fünf Jahren die Zahl der Besucher um ein Drittel gestiegen. Für heuer rechnet die Wirtschaftskammer mit 7,9 Millionen Besuchen auf Wiener Weihnachtsmärkten. Hauptbeweggründe der erwarteten drei Millionen Besucher, darunter viele Nicht-Wiener, sind das einzigartige Ambiente und der Genuss von Glühwein, Punsch und kulinarischen Spezialitäten.

Doch was bei den einen fröhlich-beduselte, leutselig-warme Vorweihnachtsgefühle auslöst, dreht anderen den Magen um. Punsch & Co rufen bei ihnen Unverträglichkeiten auf den Plan, vor allem wenn in Mengen genossen. Trinken sie Glühwein, verstopft sich die Nase, essen sie Schokofrüchte, bekommen sie Bauchweh. 15 bis 20 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher leiden an Nahrungsmittelunverträglichkeiten. "Auf Adventmärkten kommt eine Vielzahl von Inhaltsstoffen zusammen, auf die der Körper mit Unverträglichkeiten reagiert", sagt Eva Hagl-Lechner, Diätologin im niederösterreichischen Tulln.

Orangenpunsch und Raclette

Eine Auswahl: Wer von Histamin-Intoleranz betroffen ist, verträgt Punsch oder Glühwein schlecht bis nicht. Einerseits baut die Leber zuerst Alkohol ab und erst danach die Histamine, andererseits enthalten Rotwein und manche Punschsorten, wie etwa Orangen- oder Erdbeerpunsch, selbst Histamin. Die Symptome reichen von leicht (rote Ohren, rotes Gesicht, verstopfte Nase) bis schwer (Atemnot, Übelkeit, Kopfschmerzen und Herzrasen). Auch bei einigen Spezereien heißt es: aufpassen. Denn je länger eine Köstlichkeit reift, desto mehr Histamin, das ein Abbauprodukt von Eiweiß ist, bildet sie. Somit sind auch lange gereifter Käse (etwa auf Raclette-Broten), Salami und Rohschinken mit Vorsicht zu genießen - ebenso wie das Weizen-Eiweiß Gluten im Brot.

Auch Menschen mit Fruchtzucker-Intoleranz haben ihre Not. Denn süßer Punsch und kandierte Früchte mit Schokoladehaube sind nicht nur Kalorienbomben, sondern enthalten auch sehr viel Zucker. "Das ist natürlich eine Teufelsmischung, die alles von Bauchschmerzen bis Durchfall verursachen kann", sagt Hagl-Lechner: "Schon eine versteckte Fruchtzucker-Unverträglichkeit kann Unwohlsein auslösen, etwa wenn man einen Apfel isst. Aber ein Übermaß kann die Intoleranz gravierend verstärken."

Nahrungsmittel-Unverträglichkeiten kommen zustande, weil bestimmte Enzyme im Dünndarm fehlen, die die Inhaltsstoffe aufspalten. "Fruchtzucker kommt unverdaut in den Dickdarm, wo Bakterien ihn vergären. Das erzeugt Methan und andere Gase - und somit Blähungen, Völlegefühl oder Übelkeit", erklärt Peter Komericki, Facharzt an der Universitäts-Hautklinik Graz, von der Arbeitsgruppe Allergologie der Österreichischen Gesellschaft für Dermatologie.

So weit, so gut. Doch woraus bestehen fertige Punsch-Mischungen? Laut Hagl-Lechner können sie unterschiedlichste Substanzen enthalten - von künstlichen Süßstoffen, die mit gewissen Allergien in Zusammenhang stehen, bis zu Aromen, die Gluten enthalten als Trägerstoff. "Ich habe nur eine einzige Punschmischung im Internet gefunden, deren Hersteller die Inhaltsstoffe im Detail angeben", sagt die Diätologin. Bei Konsumenten herrsche somit Verwirrung, was woraus gemacht ist. Hagl-Lechner geht davon aus, dass die am Samstag in Kraft tretende, durchaus umstrittene EU-Lebensmittelverordnung Abhilfe schaffen wird: Demnach müssen Gastronomiebetriebe auf 14 Stoffe hinweisen, die Allergien und Unverträglichkeiten auslösen können, und müssen Hersteller den Handel über die Inhalte ihrer Produkte informieren.

"Früher wurde frisch gekocht. Es gab keine kilometerlangen Keks-, Joghurt- und Milchregale und weniger Fertigprodukte. Heute werden Milch-Bestandteile in andere Produkte eingebaut, ob zum Süßen oder damit etwas länger knackig bleibt. Fruchtzucker, der süßer ist als Haushaltszucker, dient als billiges Süßungsmittel in Limonaden oder Backwaren. Gluten macht Backwaren locker und bindet Wasser, damit das Brot mehr wiegt", erklärt Hagl-Lechner: "Natürlich erzeugt der Körper Enzyme, um diese Stoffe abzubauen - aber nicht in dem Ausmaß, in dem wir sie zu uns nehmen." Komericki sieht eine Wurzel des Übels auch im Essverhalten. "Definitiv sind die Sachen viel zu süß. Aber es ist besser, Nahrungsmittel sind konserviert als verkeimt: So sicher wie heute waren Lebensmittel noch nie. Nur trinken die Leute zu viel Alkohol und essen zu viel Zucker", sagt er, und: "Das Problem ist, dass wir viel zu viel essen - 600.000 Österreicher sind fettleibig."

Psychische Komponente

Wer weniger ist, spüre Unverträglichkeiten je nach Tagesverfassung weniger stark - obzwar sie dann nicht verschwänden. "Oft vertragen wir diese Stoffe aber in geringen Mengen besser", sagt Komericki. Besonders wichtig sei bei Unverträglichkeiten die richtige Diagnose. "In Zeiten, in denen Dr. Google scheinbar eine Antwort auf alles hat, spielt die psychische Komponente eine große Rolle. Viele Menschen kommen zu uns und meinen, schon bei einem Stück Apfel mörderische Beschwerden zu bekommen, doch wenn wir testen, haben sie null."

Ein Weihnachtskeks hat um die 90 Kalorien. Eine halbe Stunde auf dem Crosstrainer baut 250 bis 300 Kalorien oder drei Kekse ab. Ein Weihnachtsmenü mit Suppe, Gans, Beilagen, Wein und Keksen kann 3000 Kalorien anlegen und eine Portion Schnitzel mit Pommes Frites 1000 Kalorien. Wer allerdings unter Allergien leidet, dem hilft auch Zurückhaltung nicht: Zimt-Allergiker können binnen wenigen Sekunden ein pelziges Gefühl im Mund bekommen, wenn sie Kekse essen. Ihr Körper erkennt Bestandteile des Gewürzes als Feinde, die er bekämpfen muss. Seine Immunglobuline, die "Gesundheitspolizei" im Körper, reagieren sofort.