
Berlin. Fische sind echte Persönlichkeiten. Das weiß man spätestens seit dem Zeichentrick-Film "Findet Nemo". Da besteht das schwimmende Personal aus so unterschiedlichen Typen wie dem ängstlichen Clownfisch-Vater Marlin, der überall Gefahr wittert, und seinem neugierig und draufgängerisch veranlagten Sohn Nemo. Der lässt sich auf eine Mutprobe ein, wagt sich immer näher an ein Boot heran und wird prompt gefangen - der Auftakt zu allerlei Abenteuern.
Wer diese Geschichte für weit hergeholt hält, hat noch nicht mit Robert Arlinghaus und Kate Laskowski gesprochen. Die Wissenschafter des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) in Berlin erforschen die Persönlichkeiten von Fischen. Und kommen dabei zu erstaunlichen Ergebnissen: Offenbar schwimmen in Seen, Flüssen und Meeren Individualisten, deren Erfolg im Leben zu einem guten Teil von ihrer Persönlichkeit abhängt. "Diese Zusammenhänge sind vielleicht nicht so komplex wie beim Menschen", sagt Laskowski: "Aber das Prinzip ist dasselbe."
Innerhalb der gleichen Art gibt es etwa Angsthasen und Draufgänger. Der eine Fisch ist aktiver, aggressiver oder entdeckungsfreudiger als der andere. Und neben sozial eingestellten Tieren schwimmen Eigenbrötler. Bei zahlreichen Arten, von der Regenbogenforelle bis zum Karpfen, konnten Verhaltensforscher individuelle Unterschiede nacheisen. "Das heißt aber nicht, dass sich ein bestimmter Fisch immer gleich verhält", betont Laskowski. Schließlich fällt es einem kontaktfreudigen Menschen auch nicht immer gleich leicht, auf andere zuzugehen. Doch die Tendenz zu bestimmten Verhaltensweisen scheint sich auch in Fischkreisen durchs Leben zu ziehen.
Wie aber lässt sich herausfinden, welchen Charakter ein Schuppenträger hat? Die Forscher haben den Mut von Karpfen untersucht. Die schwimmenden Kandidaten hatten dabei einen sicheren Unterschlupf und zwei Futterstellen zur Verfügung. Letztere konnten sie nur erreichen, wenn sie eine freie Fläche überquerten, auf der sie möglichen Feinden schutzlos ausgeliefert waren. "Die Risikobereitschaft eines Tieres zeigt sich darin, wie viel Zeit es außerhalb seines Verstecks verbringt und wie oft es die Futterstellen aufsucht", so Arlinghaus. Das Ergebnis hängt allerdings auch von den äußeren Umständen ab. Das haben der Forscher und sein Doktorand Thomas Klefoth herausgefunden, als sie das gleiche Experiment in einem naturnahen Teich und in einem künstlichen Becken durchführten. Die Testfische gehörten zu Karpfenrassen, die für ihre unterschiedlichen Temperamente bekannt sind. So gelten Schuppenkarpfen, die ihren wilden Verwandten ähneln, als Bedenkenträger. Die hochgezüchteten Spiegelkarpfen legen eher das dreiste Verhalten von Haustieren an den Tag.