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Reine Luft machen

Von Alexandra Grass

Wissen
In Schulen und am Arbeitsplatz sollte wesentlich häufiger gelüftet werden.
© Fotolia/Zlatan Durakovic

90 Prozent seiner Zeit verbringt der Durchschnittsmensch in Gebäuden. Die Atemluft ist nicht so frisch, wie wir denken.


Wien. Der Durschnittsmensch verbringt 90 Prozent seiner Zeit innerhalb von Gebäuden - beim Schlafen, Arbeiten, Essen oder auch Entspannen. Und sogar der sportlichen Ertüchtigung gehen viele Menschen im Fitnesscenter, und damit indoor, nach. In den Genuss reichlich frischer Luft - wobei diese regional verschieden zwischen Waldfrische und abgasschwanger variiert - kommen zwar einige Berufsgruppen, die meisten Menschen gerade mal am Wochenende.

Ob die Luft, die wir an unseren Arbeitsstätten, in der Schule oder daheim einatmen, uns wirklich gut tut, hängt von vielen äußeren Faktoren ab. Unsere Lunge hat auf jeden Fall ganze Arbeit zu leisten, um Staub, Ruß und Rauch, wie sie in gröberen und feinsten Partikeln in der Atemluft vorhanden sind, abzuwehren.

Verteidigungssystem Lunge

Beim Atemvorgang ist die Nase bereits unser erster Filter, erklärt Arschang Valipour, Lungenfacharzt und Gruppenleiter am Ludwig Boltzmann Institut für COPD und Pneumologische Epidemiologie. Flimmerhärchen in den Atemwegen fangen große Partikel ab. Dennoch gelangt "ein nicht unbeträchtlicher Anteil von feinen Partikeln in unsere Lunge". Die Lunge selbst ist auch in der Lage, Feinstaub durch Schleimbildung abzusondern. Ist das Verteidigungssystem Lunge voll funktionsfähig, dann können ihm Staub und Keime kaum etwas anhaben.

"Die Dosis macht das Gift", betont Valipour. Denn atmen wir einen Schadstoff über längere Zeit ein, dann kann dies sehr wohl zu Entzündungen der Atemwege bis hin zur Zerstörung der Lungenbläschen führen. Dem ultrafeinen Staub ist es sogar möglich, durch die Lunge in den Blutkreislauf zu gelangen. In Folge können sich auf diese Art und Weise auch Herz-Kreislauf-Erkrankungen manifestieren.

Das geringste Risiko, einen körperlichen Schaden zu erleiden, hätten gesunde und sportlich aktive Menschen, betont der Mediziner. Vorbelastete Personen - etwa Asthmatiker - können hingegen von einer feinstaubgeschwängerten Luft Schaden nehmen.

Als Killer Nummer eins nennt der Lungenfacharzt den Passivrauch in geschlossenen Räumen. Dieser sei über viele Jahre das größte Problem in der westlichen Welt gewesen. "Man weiß, dass der Passivrauch für einen nicht unerheblichen Anteil an Herz-Kreislauferkrankungen bis hin zu Krebs verantwortlich war und ist", erklärt Valipour. In den vergangenen zehn Jahren hätte sich diese Problematik auch aufgrund der zustande gekommenen Anti-Raucher-Gesetzgebung wesentlich gebessert.

Daten aus den USA würden zeigen, dass gut 50 Prozent unserer Gebäude inadäquat gelüftet seien. Vor allem herrsche auch in Schulen das Problem der schlechten Lüftung. Meist sind es alte Gebäude, die auch viel Hausstaub beinhalten. Immerhin hätten bereits 10 bis 15 Prozent aller Kinder allergisches Asthma oder allergischen Heuschnupfen, die unter der Belastung besonders leiden.

Mitunter sind es auch sich verflüchtigende Lacke, Farbstoffe oder Reinigungsmittel, die für
Befindlichkeitsstörungen verantwortlich sein können. Infolge von schlechter Raumluft am Arbeitsplatz - aber auch zuhause - können Kopfschmerzen, Konzentrationsstörungen, Müdigkeit oder trockene Schleimhäute auftreten.

Zwei- bis dreimal täglich lüften

Der Mediziner empfiehlt, zwei bis dreimal am Tag für ein paar Minuten das Fenster zu öffnen - vorausgesetzt, der Arbeitsplatz befindet sich nicht zum Beispiel direkt neben der Wiener Südosttangente. Es sei wichtig, sich vor allem auch in der Freizeit an Orten aufzuhalten, "wo wir annehmen, dass wir wenig Schadstoffen ausgesetzt sind". Neben der Frischluftzufuhr sind es eine Raumtemperatur von maximal 22 Grad Celsius und eine Luftfeuchtigkeit zwischen 30 und 60 Prozent, die es zu beachten gelte. "Wenn diese drei Grundvoraussetzungen erfüllt sind, haben wir prinzipiell gute Bedingungen."

Schon in der Städte- und Gebäudeplanung sollten diese Punkte berücksichtigt werden, fordert der Mediziner. In angloamerikanischen Ländern gebe es bereits entsprechende Entwicklungen. Aber auch hierzulande bewege sich der Trend in Richtung Öko- oder grüne Gebäude, die auf eine regelmäßige Frischluftzufuhr achten und sie in den Räumlichkeiten zirkulieren lassen.

Medizinisch wichtig sei auf jeden Fall, die Symptome rechtzeitig zu erkennen und gegebenenfalls eine drohende oder manifeste Erkrankung beim Arzt feststellen zu lassen, um entweder Abhilfe schaffen zu können, eine Therapie einzuleiten oder im schlimmsten Fall auch den Arbeitsplatz zu wechseln.