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Studien als Kostenreduzierer

Von Alexandra Grass

Wissen

Die neue Immuntherapie ist nicht nur wirksam, sondern auch kostspielig. Hier sind Konzepte gefragt.


Wien. Während die Studienlage den Erfolg des Hoffnungsträgers Immuntherapie weiter fortschreibt, wird die Frage nach der Finanzierung dieser neuen Behandlungsmöglichkeit bei bestimmten Krebsformen immer lauter. Im Rahmen eines Kollegs des Comprehensive Cancer Center (CCC) von MedUni Wien und AKH mit Krebsexperten und Vertretern von Krankenanstaltenverbund und Sozialversicherung wurde Montag Abend deutlich, dass gerade die klinischen Studien selbst - da diese von Pharmafirmen finanziert werden - als Kostenreduzierer gelten.

Um noch mehr solcher Studien an Land ziehen zu können, steuern die Beteiligten hin zur Bildung einer Medizinischen Wissenschaftsregion Ostösterreich, wie es CCC-Koordinator Christoph Zielinski formulierte. Mit einem solchen Forschungsverbund aus Kliniken und spezifischen anderen Einrichtungen, wie etwa dem Forschungszentrum für Molekulare Medizin (Cemm), würden "wir mit einem Schlag Führungsrolle übernehmen und an Attraktivität gewinnen", so der Krebsexperte.

Kombination im Kommen

Jüngste Publikationen untermauern einmal mehr den Stellenwert, den die neue Immuntherapie in der Krebsbehandlung künftig einnehmen wird. Vor allem beim schwarzen Hautkrebs - dem malignen Melanom -, bei bestimmten Formen des Lungenkarzinoms und beim Nierenzellkarzinom werden die Erfolge weiter fortgeschrieben. Mit den neuen Wirkstoffen zeige sich bei etwa 20 Prozent der Patienten langfristig eine Stabilisierung der Tumorerkrankungen. Ziel ist, das noch weiter zu verbessern, wobei hier die Kombination von Immuntherapie mit zielgerichteten beziehungsweise Chemotherapeutika vielversprechend sein könnte.

"Beim Melanom haben wir bis zum Jahr 2010 gar nichts gehabt. Wir sind hilflos danebengestanden", betonte Hubert Pehamberger, Leiter der Wiener Universitätsklinik für Dermatologie in einem Vortrag. Die neuen Therapien hätten eine Ansprechrate von bis zu 60 Prozent.

Mit der Immuntherapie wird dem Tumor praktisch die Tarnkappe heruntergerissen. Denn Krebszellen haben die Eigenschaft, dass sie sich dem körpereigenen Immunsystem nicht als fremd zu erkennen geben und dieses in Folge auch keine Abwehrzellen zum entarteten Gewebe aussendet. Um sich erfolgreich vor den Killerzellen zu verstecken, benutzen die Tumorzellen eine Art Bremse. Mit bestimmten Antikörpern, sogenannten Checkpoint-Inhibitoren, kann dieser Mechanismus allerdings unterbrochen werden.

Nivolumab, Pembrolizumab und Ipilimumab sind jene Wirkstoffe, die derzeit schon zum Einsatz kommen. Sowohl die Patienten als auch die Ärzte müssen sich bei dieser Art Behandlung allerdings in Geduld üben. Während bei einer Chemotherapie sehr schnell klar ist, ob die Behandlung anspricht oder nicht, dauert es bei der Immuntherapie relativ lange, nämlich bis zu 32 Wochen, bis man eine Wirkung erkennt.

In der Zwischenzeit erscheint der Tumor selbst manchmal auch größer als zu Beginn der Behandlung. Warum das so ist, erklärte Helmut Ringl von der Klinischen Abteilung für Allgemeine Radiologie der Meduni Wien: Dieses Bild resultiere aus der Immunantwort. Beim Angriff durch Killerzellen bilde sich eine Entzündungsmanschette, die den Tumor für den Radiologen größer erscheinen lasse.

In der Hämatologie bringt die Zelltherapie große Fortschritte mit sich. So zeigte sich in ersten klinischen Studien bei Kindern und Erwachsenen mit schweren akuten lymphatischen Leukämien mit der neuen Methode, der CAR-T-Zelltherapie, bei mehr als 70 Prozent der Behandelten ein länger andauernder völliger Rückgang der Erkrankung.

Dabei werden aus dem Blut des Patienten T-Zellen - die Killerzellen des Immunsystems - entnommen, gentechnisch mit einem chimären Antigenrezeptor (CAR) modifiziert und anschließend per Infusion verabreicht. Die CAR-T-Zellen vermehren sich im Körper, suchen gezielt die bösartigen Leukämiezellen und killen diese.

Neuer Pharmastandort

Um die Behandlungsmöglichkeiten bei Krebs zu verbessern, verstärkt der deutsche Pharmakonzern Boehringer Ingelheim sein Engagement in Wien und eröffnete am Dienstag in Wien-Meidling einen neuen Firmenstandort. Der Konzern steckt hierzulande pro Jahr rund 200 Millionen Euro in die nicht-klinische und klinische Forschung.

Für eine Kostenreduktion forderten die Experten aber auch mehr Präventionsmedizin ein. Denn "die reine Reparaturmedizin können wir uns auf Dauer nicht leisten", hieß es.