Zürich. Ein Bild oder ein Ton, ein Geruch oder eine Berührung folgt der anderen und liefert uns ein kontinuierliches Bild der Welt um uns herum. Soweit wir es wahrnehmen können, werden unsere Sinnesinformationen kontinuierlich in bewusste Wahrnehmung umgewandelt. Wir sehen Gegenstände, die sich flüssig bewegen, hören pausenlos Töne oder riechen und fühlen ohne Unterbrechung. Eine andere Lehrmeinung argumentiert hingegen, dass unser Gehirn die Sinnesinformationen nur in einzelnen Zeitpunkten erfasst, wie eine Kamera, die Schnappschüsse aufnimmt. Selbst angesichts der zunehmenden Belege, die gegen das kontinuierliche Bewusstsein sprechen, überzeugt auch die Theorie des unterbrochenen Bewusstseinsstroms nicht.

Zweistufige Verarbeitung


Ein neuer Ansatz von Wissenschaftern der Unis Zürich und Ulm sowie dem École polytechnique fédérale de Lausanne (EPFL) zeigt nun, wie das Gehirn Sinneseindrücke zu einem großen Teil unbewusst verarbeitet. Gemäß ihrem Modell ist das Bewusstsein nur in Zeitintervallen von bis zu 400 Millisekunden aktiv, während dazwischen Lücken unbewusster Reizverarbeitung liegen.

Das Modell der Wissenschafter schlägt eine zweistufige Informationsverarbeitung vor, wobei zuerst die unbewusste Stufe kommt. Das Gehirn verarbeitet bestimmte Merkmale von Gegenständen, etwa Farbe oder Form, und analysiert diese kontinuierlich und unbewusst mit einer sehr hohen Zeitauflösung. Nachdem die unbewusste Verarbeitung abgeschlossen ist, verwandelt das Gehirn gleichzeitig alle Merkmale für einzelne Zeitpunkte in bewusste Wahrnehmung um. So wird das finale Bild erzeugt, welches das Gehirn unserem Bewusstsein präsentiert. "Es würde bloß verwirren, die unbewusste beziehungsweise ungenaue Verarbeitung bewusst zu machen", erklärt der Neurowissenschafter Frank Scharnowski.