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Das verkannte Leiden

Von Alexandra Grass

Wissen
Häufig betroffen sind Achsel- und Intimbereich.
© Fotolia

Patienten mit Akne Inversa leben meist jahrelang ohne Diagnose und geeignete Therapie. Eine Plattform soll hier Unterstützung geben.


Wien. Nicht nur die Namensgebung ist verwirrend, sondern auch das Erkrankungsbild selbst. Schmerzhafte Hautveränderungen in der Nähe bestimmter Schweißdrüsen wie den Achseln, der Leistengegend oder dem Genitalbereich werden häufig als gewöhnliche Abszesse abgetan. Ihre fortschreitenden Entzündungsherde sind nicht vorhersehbar, womit auch eine frühzeitige Diagnose mitunter schwerfällt. Die Rede ist von der sogenannten Akne Inversa (AI) oder Hidradenitis suppurativa (HS) - eine chronisch entzündliche Hauterkrankung, die bereits 1839 erstmals beschrieben wurde und aufgrund eines erweiterten Kenntnisstandes heutzutage immer häufiger diagnostiziert wird. Die Möglichkeiten der Behandlung sind allerdings nach wie vor äußerst bescheiden.

Der Name sei unglücklich gewählt und das Erkrankungsbild selbst, das sich von der "normalen" pubertären Akne Vulgaris massiv unterscheidet, vielen Ärzten noch nicht bewusst, erklärt die Dermatologin Karin Jahn-Bassler im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Patienten würden daher oft einen jahrelangen Leidensweg in Kauf nehmen müssen, bis sie zu einem Spezialisten gelangen, der sie aufklärt.

Bekannt ist, dass Akne Inversa in Schüben mit unterschiedlichen Schweregraden verläuft. Bei der leichten Form treten häufig entzündliche Knoten und Abszesse auf. Bei der schwersten kommt es zu sogenannten Fistelgängen - miteinander verbundenen entzündlichen Kanälen - unter der Haut und Vernarbungen. Heute wird angenommen, dass der Ausgangspunkt der Erkrankung eine Verstopfung des Haarfollikels ist. In weiterer Folge kommt es zu einer Entzündungsreaktion der umgebenden Haut und zur Abszessbildung. "Oft sind handgroße Areale betroffen", so Jahn-Bassler.

In Österreich leiden etwa 80.000 Personen an Akne Inversa. Zumeist sind dies junge Erwachsene ab einem Alter von 20 Jahren, wobei Frauen dreimal häufiger betroffen sind als Männer. Genetische Faktoren dürften bei der Entstehung eine große Rolle spielen - aber auch Faktoren wie Rauchen, Übergewicht, Reibung, vermehrtes Schwitzen, Stress oder hormonelle Einflüsse.

Zur "normalen" meist pubertären Akne Vulgaris unterscheidet sich die AI dadurch, dass die Haarfollikel und nicht die -trichter betroffen sind, spezifiziert die Expertin. Das äußere Hautmerkmal sind Pusteln und nicht verschlossene Mitesser. Akne Vulgaris tritt zudem vorwiegend schon während der Pubertät auf, Akne Inversa für gewöhnlich erst danach.

Linderung statt Heilung

Häufig findet sich der entzündliche Vorgang in Kombination mit anderen Erkrankungen wie entzündlichen Darmleiden, Blutarmut, Arthritis oder Plattenepithelkarzinomen der Haut.

"Die AI ist neben den starken Schmerzen auch psychisch eine wahnsinnige Belastung für den Patienten und wird vom psychologischen Aspekt in den aktuellsten Studien als die Hauterkrankung mit dem höchsten Leidensdruck angesehen", betont die Medizinerin. Im Durchschnitt befindet sich ein AI-Patient bis zu vier Tage pro Monat im Krankenstand.

Es gebe einige Therapieansätze, die darauf ausgerichtet seien, Linderung zu verschaffen und den Patienten für sein Berufs- und Privatleben halbwegs beschwerdefrei zu machen. Denn Heilung ist noch keine in Sicht. In erster Linie kommen örtliche Therapien wie Wundversorgung, lokale Antibiotika und Schmerztherapeutika zum Einsatz. Ergänzend kann, je nach Stadium, eine chirurgische Sanierung erfolgen. Seit 2015 steht zusätzlich ein aus der Schuppenflechtetherapie stammendes Biologikum zur Verfügung, berichtet die Medizinerin.

Über diverse Kampagnen sollen nun Betroffene ermutigt werden, sich vom passiven zum aktiven Patienten zu wandeln. Ziel sei es, zu zeigen, "du bist nicht alleine" und den Erkrankten eine Anlaufstelle zu bieten.

www.akne-inversa.at