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Drei-Eltern-Baby - oder nicht?

Von Alexandra Grass

Wissen
Ein Kind kann laut Experten nur die Merkmale zweier Elternteile tragen.
© GettyImages/Kei Uesugi

US-Forscher feiern Erfolg einer neuartigen Reproduktion, die Studie selbst ist noch unter Verschluss.


Wien. Für medialen Aufruhr sorgte am Mittwoch die Nachricht von der Existenz eines Drei-Eltern-Babys. Vor fünf Monaten war in Mexiko ein Bub zur Welt gekommen, der den beteiligten Forschern zufolge aus der Verschmelzung dreier Menschen entstanden ist. Die Reproduktionsmediziner um John Zhang vom New Hope Fertility Center in New York City hatten dafür eine neue Technik angewendet.

Österreichische Forscher sind allerdings etwas uneins darüber, ob der Begriff "Drei-Eltern-Baby" legitim ist. Wichtige Fragen bleiben zudem noch unbeantwortet, denn die Studie selbst soll erst im Oktober beim Scientific Congress der American Society for Reproduktive Medicine in Salt Lake City der Öffentlichkeit präsentiert werden. Zugänglich war vorerst nur ein Abstract der Arbeit.

Fokus auf Zellkraftwerke

Zum bisher bekannten Hintergrund: Die Mutter des Buben trägt eine Erbkrankheit, das Leigh-Syndrom, in sich. Dabei handelt es sich um einen Defekt der Zellkraftwerke (Mitochondrien), in Folge dessen es zu einer Störung des Energiestoffwechsels in den Zellen kommt. Die Erkrankung zeigt sich in schweren, fortschreitenden neurologischen Störungen, wobei die Lebenserwartung stark reduziert ist. Um eine Übertragung der Erkrankung auf den Nachwuchs zu verhindern - zuvor hatten die Eltern schon zwei Kinder aufgrund des Leigh-Syndroms verloren -, hatte sich beim dritten Anlauf das Team um Zhang eingeschaltet.

Zur methodisch nicht neuen, aber technisch adaptierten Vorgangsweise: Die Reproduktionsmediziner hatten der Mutter Eizellen entnommen. Diese bestehen aus dem Kern, in dem die 46 Chromosomen des Menschen sitzen, sagt der Genetiker Markus Hengstschläger zur "Wiener Zeitung". Um diesen Zellkern befinden sich die Mitochondrien, Zellorganellen, die auch einige wenige Gene beinhalten, aber in erster Linie die Teilung der Zellen antreiben. Sind diese Mitochondrien nicht intakt, kommt es etwa zu oben genannter Störung. Vererbt werden mitochondriale Erkrankungen ausschließlich mütterlicherseits.

Aus den Mutter-Eizellen haben die Forscher schließlich die gesunden Zellkerne entnommen und diese in kernlose Eizellen einer Spenderin eingesetzt. In Folge wurden diese mit dem Samen des Vaters befruchtet. Das Ergebnis war eine intakte Eizelle, die aus der Kern-DNA von Vater und Mutter besteht, sowie aus geringem, aber doch genetischem Material der Spenderin, die der Mutter schließlich eingesetzt worden war. "Wenn man ganz übertrieben genau ist, dann sagt man, es ist ein Kind von drei Eltern", betont Hengstschläger.

Da die Mitochondrien aber nur für den Energiehaushalt einer Zelle zuständig sind, "wird das Kind keine Merkmale des dritten Elternteils haben", so der Genetiker. Es seien nur wenige Gene im Verhältnis zu jenen 25.000 im Zellkern. Bei einer DNA-Untersuchung ließe sich der praktisch "dritte Elternteil" dennoch nachweisen.

Gesunder Bub

Der heimische Reproduktionsspezialist Wilfried Feichtinger stellt den Begriff "Drei-Eltern-Baby" infrage. Die eigentliche DNA "wird dadurch nicht verändert", betont er. Er sieht darin eine Reparatur der kranken Eizelle, "das kann man nicht als Elternteil bezeichnen". Schon in den 1990er Jahren hätte es in Großbritannien Versuche gegeben, nicht funktionstüchtige Mitochondrien durch Spenderorganellen zu ersetzen. Dabei hatte es sich aber nicht um kranke, sondern Frauen in höherem Alter gehandelt, bei denen die Eizellen einer Verjüngungskur zugeführt werden sollten, um ein Kind bekommen zu können. Die Folge waren viele kranke Kinder.

Der fünf Monate alte Bub scheint gesund zu sein, wie es im Abstract der Studie heißt. Ein bis zwei Prozent geschädigte Mitochondrien scheint er demnach von seiner Mutter dennoch übertragen bekommen zu haben. Das Leigh-Syndrom, an dem seine zwei Geschwister verstorben waren, dürfte er bei dem geringen Anteil dennoch nicht bekommen.

Nähere Details blieb John Zhang bislang schuldig. Die bisher verfügbaren Informationen lassen demnach auch viele Frage offen. Etwa jene nach ethischen Vorgaben. Auch ist nicht bekannt, ob es der erste Versuch der Forschergruppe war oder ob es auch zu missglückten Anstrengungen gekommen war, die nicht dokumentiert sind.

Die Forscher haben aber offenbar, indem sie laut "New Scientist" einen männlichen Embryo auswählten, sichergestellt, dass die geschädigten Mitochondrien nicht weitervererbt werden können. In Österreich sind Methoden wie diese gesetzlich verboten.