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Erdbeben denken in Jahrmillionen

Von Eva Stanzl

Wissen

In den vergangenen Wochen bebte die Erde besonders oft. An der Erdbebenaktivität ändert das nichts.


Wien. Die Erde bebt. Von einer Sekunde auf die andere zittern Landstriche und sacken Häuser in sich zusammen, um ihre Bewohner unter sich zu begraben. Zwei schwere Beben in Mittelitalien mit den Stärken 6,7 und 7,1 plus zahlreiche Nachbeben. Ein Erdstoß in Chile, ein schweres Beben mit Nachbeben und Tsunami in Christchurch, Neuseeland. Weiters Erschütterungen in Griechenland, Japan, El Salvador und Nicaragua und diese Woche mehrmals auf den Salomonen-Inseln im Südpazifik.

Besonders die Häufung dieser Ereignisse in den vergangenen Wochen weckt Ängste, dass die Erdbebengefahr steigt. Aber bebt die Erde tatsächlich häufiger? Experten sind nicht dieser Ansicht. "Menschen haben subjektiv das Gefühl, dass es immer mehr Erdbeben gibt. Doch das ist weder wissenschaftlich belegt noch durch Statistiken gedeckt. Sehr wohl aber sind wir durch Internet, Fernsehen und soziale Medien besser informiert und es werden die Aufzeichnungen der Erdbebendienste immer genauer", sagt Christa Hammerl von der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) in Wien. Erdbebendienste würden in der Sekunde von Kollegen weltweit informiert und gäben die Information weiter. Früher dagegen hätte man nicht erfahren, wenn auf den Salomon-Inseln eine Erschütterung stattgefunden hätte.

"Heuer liegen wir in der Norm"

Weltweite Erdbeben-Statistiken registrierten im Jahr 2016 bisher 15 Erdbeben mit einer Magnitude von sieben bis 7,9. "Diese Zahl liegt im Durchschnitt seit Beginn der seismografischen Messungen 1900", erklärt Seismologin Christiane Freudenthaler-Pascher. "Durchschnittlich wird außerdem ein Beben ab Stärke acht pro Jahr aufgezeichnet. Heuer hatten wir noch keines in dieser Kategorie." "Es gibt statistisch pro Jahr 100 Beben mit einer Stärke von sechs und mehr, zehn Beben mit sieben und mehr und ein Beben mit acht und mehr", erläutert Torsten Dahm vom Potsdamer Geoforschungszentrum: "Heuer liegen wir in der Norm."

Die Erde hat einen Eisenkern, der von glühender Lava umgeben ist. Der Erdmantel umhüllt die glühende Lava, die Erdkruste wiederum den zähflüssigen Erdmantel. Die Erdkruste besteht aus mehreren Einzelteilen, die Erdplatten genannt werden. Angetrieben von den Strömungen (Konventionsströmen) im zähflüssigen Untergrund, bewegen sich die Erdplatten jedes Jahr um einige Zentimeter. Diese Beweglichkeit wird Plattentektonik genannt.

Wo die Platten aufeinandertreffen, entstehen Spannungen. Wenn die Erdkruste, die den Erdmantel umhüllt, den Spannungen nicht standhalten kann, entladen sie sich mit einem gewaltigen Ruck. Das Erdbeben startet im Erdinneren, breitet sich als Welle nach oben aus und erreicht innerhalb von wenigen Sekunden den Meeres- oder Erdboden.

An den Plattengrenzen ist die Erdbebengefahr am größten - etwa wo die Pazifische Platte unter die Eurasische Platte gedrückt wird (Pazifik-Inseln, US-Westküste, Neuseeland), oder zwischen der Afrikanischen und der Eurasischen Platte, die sich aufeinander zu bewegen (Italien). "Zwischen der Afrikanischen und der Eurasischen Platte ist außerdem eine Mikroplatte eingelagert, der Apulische Sporn. Er wird Richtung Europa gedrückt und faltet die Alpen auf, während er im Westen gegen den Apennin abtaucht. Das bedingt die Erdbeben in Mittelitalien", sagt Freudenthaler-Pascher.

Doch wie erklären sich Häufungen schwerer Beben in kurzer Zeit? Erd-Spannungen können sich häufen und dabei durchaus den Anschein erwecken, dass sich die Dynamik verändert. Etwa wurde das stärkste Erdbeben in Österreich 1590 bei Ried am Riederberg mit einer Magnitude von 5,2 registriert - heute aber gibt es im Tullnerfeld kaum eine Seismizität. "Über kurze Zeiträume kann es Veränderungen geben, doch über Jahrhunderte bleibt es gleich. Plattentektonische Verschiebungen brauchen nämlich Jahrmillionen."