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Nur die Sterne haben den Durchblick

Von Eva Stanzl

Wissen

Viele Kulturen versuchen, Botschaften zu erkennen, indem sie Tierkreiszeichen und Gestirne in Verbindung bringen. Was bringt das?


In der Legende lud Buddha alle Tiere zu einem Fest. Zwölf folgten dem Ruf und kamen zur Party. Zum Dank schenkte Buddha Ratte, Büffel, Tiger, Hase, Drache, Schlange, Pferd, Ziege, Affe, Hahn, Hund und Schwein je ein Jahr. Die Chinesen glauben, dass alle zwölf Jahre ein ähnlicher Menschentyp geboren wird, der dem Charaktertypus des Tieres entspricht. In der Nacht auf Samstag begrüßte China das Jahr des Hahns, das heuer mit dem hitzigen Element in Verbindung steht. Astrologen erwarten im Jahr des Feuer-Hahns politische Spannungen, aber auch wissenschaftliche Fortschritte.

In der westlichen Astrologie sind die Tierkreiszeichen hingegen nach den Sternen benannt. Hier steht die Erde im Zeitalter des Wassermanns. Ob es denn Zufall sein kann, dass Menschen, die in diesem Sternbild geboren sind, 2017 besondere Höhepunkte in Beruf und Liebe erwarten dürfen? Mitnichten. Dank Jupiter, der sich mit seinen Glücksgaben in der Waage befindet und demnächst das neunte Haus durchquert, gibt es "großes Wassermann-Kino", verspricht die deutsche "Vogue".

Ob Wassermann oder Widder, Hahn oder Affe - oder wie in Tibet Seeungeheuer, Mädchen oder Frosch: Viele Kulturen versuchen, Botschaften zu erkennen, indem sie Tierkreiszeichen und Gestirne mit einander in Verbindung bringen. Was aber sind die Ursprünge der Astrologie? Warum sollten zwischen oben (Sterne) und unten (Menschen) Zusammenhänge bestehen? Und warum studieren unzählige Menschen täglich ihre Horoskope und schenken ihnen Glauben, obwohl es völlig unmöglich ist, dass je ein Zwölftel der Menschheit oder je 840 Millionen Personen ein Schicksal teilen?

Kalender und Landwirtschaft

Die ersten Sternengucker strebten allerdings weniger nach himmlischen Sphären als nach Lösungen für irdische Probleme. "Die ältesten astrologischen Aufzeichnungen stammen von den Sumerern. Sie suchten Orientierung über die Himmelsrichtungen und erstellten nach astronomischen Konstellationen ihren Kalender", erklärt Wolfhard König, Psychoanalytiker mit Praxis in München. Die Kenntnis der Positionen der Sterne ermöglichte die Einteilung des Zeitablaufs, die Planung der Landwirtschaft und die Navigation.

Gleichzeitig aber wollte der Mensch die eigene Position im Universum begreifen. "Es ging auch um innere Orientierung", sagt König. Im Zweistromland waren Astrologen-Astronomen Priester, Schreiber, Zeichenkundige, Ärzte, Forscher und zuständig für kultische Angelegenheiten wie Rituale, magische Beschwörungen, Anrufungen und Divinationen. Tierkreisähnliche Systeme nach einem Koordinatensystem haben ihre Wurzeln im alten Ägypten. Der Hellenismus ordnete den Tierkreisabschnitten bestimmte Grunddeutungen zu und erweiterten sie um die Vier-Elemente-Lehre von Wasser, Luft, Feuer und Erde, die später mit den Jahreszeiten und Gestirnen assoziiert wurden.

Das Lexikon beschreibt die Astrologie als "Frühform der Wissenschaft" und "vorwissenschaftliche Lehre" auf der Basis der damals allgemein akzeptierten Vorstellung, die Himmelskörper hätten einen direkten Einfluss auf irdische Ereignisse. "Ausgehend von dieser Grundannahme, verwendeten frühe Astrologen mathematische Modelle, um Regelmäßigkeiten in beobachtbaren Naturphänomenen aufzuweisen", heißt es etwa in Wikipedia. Sternenkundige stellten komplexe Berechnungen zu Positionen und Umlaufbahnen von Planeten an und suchten nach Regelmäßigkeiten in Naturerscheinungen, um diese rational zu beschreiben. Was ausblieb, war der Beweis, dass entfernte Himmelskörper sich auf den Alltag auswirken.

Die Schwerkraft des Mondes erzeugt nachweislich Ebbe und Flut. Die Gravitation der Sonne hält die Erde in ihrer Bahn. Ihr Licht und ihre Wärme ermöglichen Leben, Tag und Nacht, Jahreszeiten und Klimazonen. Doch der physikalisch-kausale Einfluss der Planeten und Sterne ist schwer nachzuweisen: Ihre Schwerkraft lenkt die Erdumlaufbahn kaum ab und die Leuchtkraft selbst der hellsten Sterne ist zu schwach, um auf das irdische Klima zu wirken.

1925 erklärte der Philosoph Ernst Cassirer schließlich, dass die Astrologie zwar auf eine wissenschaftliche Methodik sei, jedoch auf einem ganz anderen "Weltbegriff" beruhe als der akademische Zweig der Gestirnslehre, die Astronomie. Um 1930 konstatierte der Philosoph Karl Popper, dass Astrologen zwar eine stupende Masse von Beobachtung gesammelt hätten, jedoch die Masse sie jedoch nicht akkurater mache. Die Astrologie genüge wissenschaftlichen Standards nicht, ähnlich wie aus seiner Sicht die Psychoanalyse funktioniere sie wie ein "Mythos", der nach Bestätigung seiner Überzeugungen sucht, statt Hypothesen ergebnisoffen an der Wirklichkeit zu testen.

Zu ihrer Ehrenrettung griff die Astrologie Carl Gustav Jungs Konzept der Synchronizität auf. Der Psychologe bezeichnete damit zeitlich übereinstimmende Ereignisse, die zwar nicht kausal verknüpft sind, aber dennoch als aufeinander bezogen wahrgenommen und gedeutet werden. Ein körperlicher Zustand kann demnach ein inneres Ereignis - eine Idee, einen Traum, eine Emotion - spiegeln. "Tiefenpsychologische Problematiken spiegeln sich auch im Horoskop. Mann könnte von einer Art Synchronizität zwischen Planetenbewegungen und Ereignissen ausgehen - allerdings müsste man ein metaphysisches Weltbild heranziehen, um solche Beziehungen zu erklären", findet Karlheinz Dotter, Leiter des Kepler-Instituts für astrologische Ausbildung in Wien.

Astrologische Psychologie heute bedient sich der Symbolkraft der Himmelskörper. Dabei werden Planeten-Bewegungen mit dem individuellen Schicksal in Verbindung gebracht, etwa über eine Grafik bei einem Geburtshoroskop. Ähnlich wie die Traumdeutung oder das Legen von Tarot-Karten erschließt die Metapher des Horoskops Therapeuten einen Weg in die tieferen Ebenen der Persönlichkeiten ihrer Klienten.

"Das Hauptproblem der Astrologie ist der menschliche Wunsch, das Unergründliche zu ergründen, seine Sehnsucht nach Transzendenz und Ersatzreligion", sagt Harald Zittlau von der Internationalen Akademie für astrologische Psychologie in Deutschland. "Natürlich kann man aus Planetenbewegungen Parallelitäten zu Ereignissen auf der Erde konstruieren. Aber das Schicksal des Einzelnen hat andere Ursachen und ist abhängig von Geburtsort, Familie und Umgebung. Wer entsprechend seiner Persönlichkeitsstruktur leben will, muss an sich und den Wechselwirkungen mit der Umwelt arbeiten - sonst ist er der Umwelt ausgesetzt", betont er.

Glaube und Sicherheit

Dennoch lassen Konzernchefs, die für ihre Führungsqualitäten bezahlt werden, sich von Wirtschaftsastrologen beraten, suchen Personalchefs neue Mitarbeiter nach Sternzeichen aus und wird bei wichtigen Entscheidungen das Pendel ausgepackt. Börsen-Astrologen vergleichen Planetenbewegungen mit Aufzeichnungen über Börsenkurse, um daraus künftige Markttendenzen abzuleiten. In einer faktengetriebenen Welt soll die Astrologie zur Intuition zurückführen. Immerhin hat hier die Zeit nicht nur Stunden, Tage und Monate, sondern sie bringt auch Inhalte mit. Jede Zeit hat ihre Qualität, die bestimmte Dinge sehr und andere weniger unterstützt. Sagen Astrologen.

"Per se ist Glauben ein Stück weit irrational. Maria, der Heilige Geist, Buddha oder die Astrologie leben davon, dass sie nicht mit wissenschaftlichen Methoden zu fassen sind", sagt Sebastian Murken, Religionspsychologe an der Universität Marburg. "Die Funktion des Glaubens bezieht sich darauf, dass der Mensch die Gabe hat, über sich selbst nachdenken zu können." Wer sind wir, woher kommen wir und wohin gehen wir? Je stärker wir das Gefühl haben, diese Fragen beantworten zu können, umso eher haben wir den Eindruck, alles im Griff zu haben. Zwar stehen Magie, Astrologie und Religion auf sandigem Boden gegenüber den Naturwissenschaften. Sie stärken jedoch das Gefühl von Kontrolle: Je weniger zufällig alles erscheint, desto beruhigender wirkt es.

"Die Idee einer höheren Kraft erzeugt das Gefühl von Vorhersehbarkeit und Sicherheit, und das fördert psychische Stabilität", sagt Murken. Besonders in politisch labilen Zeiten wie heute sind Religionen aller Art populär. Der Glaube versetzt Berge - oder bezweifeln Sie etwa immer noch, dass wir Wassermänner heuer die Glücksmagneten sind?