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Fabelwesen als Ersatzteillager

Von Alexandra Grass

Wissen
Eignen sich Mischwesen als Organspender? - Dieser Frage gingen Forscher nach.
© Fotolia/Michael Rosskothen

Die Organzüchtung in Chimären bleibt vorerst ein Traum.


Wien. Nicht alle Menschen sind zu Organspenden bereit - das wäre aber nötig, um den Bedarf abdecken zu können. Forscher machen sich daher seit langer Zeit Gedanken darüber, wie sie Herz, Darm oder Bauchspeicheldrüse künstlich herstellen könnten, um das kranke Pendant im Menschen entweder zu revitalisieren oder gar zu ersetzen. Dafür wurden bisher zwei Wege in Erwägung gezogen: Nämlich die Herstellung sogenannter Organoide - also Mini-Hirne oder Mini-Mägen - in der Petrischale, oder die Idee, Organe in Tieren nachzuzüchten. Letztere Variante geht mit der Herstellung sogenannter Chimären - also Mischwesen - einher, die zuletzt für ein großes Medienecho gesorgt hat.

"Forscher erschaffen Chimäre zwischen Mensch und Schwein", hieß es da. Ein kurzer Gedanke streift dabei in die Welt der Mythologie ab. Handelt es sich um Fabelwesen ähnlichen Geschöpfen mit dem Körper eines Schweins und dem Kopf eines Menschen - oder umgekehrt? Doch wie sich herausstellt, ist diese Vorstellung um viele Schritte zu weit gedacht und zudem auch noch völlig unrealistisch.

Rattenzellen in Mäusen

Forschern um Juan Carlos Izpisua Belmonte vom Salk Institute im kalifornischen La Jolla ist es zwar gelungen, menschliche Zellen in Schweine-Embryonen einzubringen, die Krönung dieses wissenschaftlichen Erfolgs bleibt dennoch aus. Warum, erklärt Ulrich Elling, Forschungsgruppenleiter am Institut für Molekulare Biotechnologie (Imba) in Wien, der "Wiener Zeitung" und dringt dabei zu den Details der im Fachblatt "Cell Press" veröffentlichten Publikation des Wissenschafterteams vor.

Embryonale Stammzellen haben grundsätzlich das Potenzial, sich zu jedem Gewebetyp des Körpers entwickeln zu können. Diese Kapazität machen sich die Forscher zunutze, indem sie diese Zellen am richtigen Ort platzieren - nämlich in der Blastozyste, jenem Zellhaufen, der am Beginn jedes Lebens steht. Im Embryo entwickeln sich diese Zellen dann weiter.

Auf diese Art und Weise haben die Forscher Mischwesen aus Ratte und Maus produziert - mit dem Ziel, Bauchspeicheldrüsen nachzubilden. Das Blatt geht dabei aber offenbar nur teilweise auf. So ist es den Forschern zwar gelungen, in einer Maus eine Pankreas aus Rattenzellen heranreifen zu lassen, doch die zweite Seite der Medaille verhindert einen durchschlagenden Erfolg. Denn die Blutgefäße, die die Bauchspeicheldrüse durchziehen, seien weiterhin jene der Maus, erklärt Elling. Bei einer Transplantation würde dies sofort in eine Abstoßungsreaktion münden.

Auch bringt die Biologie einen weiteren Unsicherheitsfaktor mit sich. Denn die Zellen der beiden Tiere können sich gegenseitig im Wachstum anspornen und auch voneinander lernen, wodurch es wiederum zu einer unerwünschten Vermischung in einzelnen Organen kommt, erklärt der Molekularbiologe.

In weiteren Versuchen haben die Forscher versucht, Rattenzellen in Schweinen heranzuziehen, was schon aufgrund der unterschiedlichen Geschwindigkeit der Embryonalentwicklung beider Tierarten aber nicht funktionieren könne, so der Experte.

Und so sind die Forscher einen großen Schritt weitergegangen - nämlich hin zur Kombination von Schwein und Mensch. Dabei hatten sie sich einer "gigantischen Tour de Force" unterzogen, wie es Elling schildert. Aus 2181 Blastozysten brachte das Team ganze 18 Embryonen hervor. Um die unterschiedliche Geschwindigkeit der Embryonalentwicklung - beim Schwein dauert eine Schwangerschaft drei, beim Menschen bekanntlich neun Monate - auszugleichen, haben die Forscher menschliche Stammzellen in unterschiedlichen Kultivierungsstadien verwendet. Diese wurden in den frühen Embryo des Wirtstieres gespritzt. Die Chimären entwickelten sich in den Säuen vier Wochen lang, bis die Forscher den Abbruch einleiteten. Lebende Chimären aus Mensch und anderen Lebewesen zu schaffen, ist in den USA - so wie in allen westlichen Ländern auch - verboten.

Die Embryonen allerdings waren allesamt viel kleiner und noch dazu defekt, geht aus der Studie hervor. "Es ist ein Durchbruch. Man hat es noch nie geschafft, eine so hohe Beteiligung von menschlichen Zellen in einem tierischen Chimär hinzubekommen. Es ist ein riesiger Schritt vorwärts", urteilt Elling. Und dennoch: "Es funktioniert nicht." Das müssen sich die Forscher auch eingestehen.

Schlechtes Timing

Der Grund liegt für den Molekularbiologen klar auf der Hand: Auch bei Mensch und Schwein passt die Entwicklungsbiologie vom Timing her nicht zusammen. Da hilft offenbar auch ein Herumtricksen in der Petrischale nichts. "Wir können nicht Schweine dazu bringen, neun Monate schwanger zu sein." Bestimmt ließe sich noch einiges optimieren, aber "es scheint so zu sein, dass hier die Grenze des Machbaren liegt".

Das einzige System, wo all diese Probleme nicht auftauchen, ist der Mensch selbst. Aber selbstverständlich kommt es nicht in Frage, dass wir ein Organ in unserem eigenen Kind nachzüchten.

Daher konzentrieren sich die Forscher weltweit weiter auf die Entwicklung von Miniorganen in der Petrischale, wie es auch am Imba unter der Leitung des Molekularbiologen Jürgen Knoblich geschieht. Und das in der Hoffnung, für den einen oder anderen Menschen eine medizinische Lösung anbieten zu können. Fortschritte scheint es in der Züchtung von Insulin produzierenden Langerhans-Inseln zu geben. Auch Immunzellen könnten in Zukunft zu einem Erfolg führen. Die Züchtung eines ganzen Organs wie etwa dem Herzen scheitert allerdings an der Größe. Denn ohne Blutzirkulation seien solche Dimensionen nicht erreichbar, so Elling. Der Euphorie sind damit immer wieder Grenzen gesetzt.