Dass Frauen in der Weltraumforschung Karriere machen, war lange nicht selbstverständlich. "Hidden Figures", ein derzeit laufender Hollywood-Film über drei schwarze Mathematikerinnen, deren Arbeit in den 1960er Jahren entscheidend war für Weltraumerfolge der USA, führt diese gläserne Decke vor Augen. Heute zählt die Nasa immerhin 13 Astronautinnen und 32 Astronauten. Sandra Magnus war bis vor wenigen Jahren eine von ihnen. Diese Woche besuchte sie die UN-Konferenz zur Friedlichen Erforschung des Weltraums in Wien. Mit der "Wiener Zeitung" sprach sie über das Leben im All und die Zukunft der Raumfahrt.

"Wiener Zeitung": Wollten Sie schon immer Astronautin werden?

Sandra Magnus: Ich war immer gut in Mathe, wollte wissen, wie alles funktioniert, und mochte Science Fiction. Die Idee, etwas an der Grenze des Machbaren zu tun und in den Weltraum zu reisen, erfasste in der Mittelschule meine Vorstellungskraft. Ich fand, ich müsste genau das tun.

Schwerelos schweben: Sandra Magnus bei ihrem Langzeitaufenthalt als Bordingenieurin auf der Weltraumstation ISS, hier bei der Arbeit im Columbus Laboratory. - © Nasa
Schwerelos schweben: Sandra Magnus bei ihrem Langzeitaufenthalt als Bordingenieurin auf der Weltraumstation ISS, hier bei der Arbeit im Columbus Laboratory. - © Nasa

Welche Vorbilder hatten Sie?

Außer meinen Eltern, die mir ihre Werte vermittelten, hatte ich keine Vorbilder, sondern Glück. 1978 war das Jahr, in dem ich in die High School kam und die Nasa die ersten Astronautinnen auswählte. Es war ein großer Moment. Vorher wollte ich einfach Astronautin werden, nun aber sah ich auch einen Weg.

Warum gibt es erst heute eine halbwegs ansehnliche Anzahl an Astronautinnen?

Das Nasa-Programm zur bemannten Raumfahrt startete mit dem Ziel, Menschen auf den Mond zu bringen. Niemand hatte etwas Derartiges jemals getan und es erforderte viel. Zuerst musste ein Mensch mit Erfahrung in der Steuerung neuer Fluggeräte die Erde umrunden. Man griff auf militärische Testpiloten zurück, die die Vorbildung für ein solches Experiment hatten. Erst mit dem Shuttle-Programm ergaben sich Gelegenheiten für Personen mit anderen Qualifikationen. Die Raumfähren waren auch für Forschungsarbeiten und den Bau der Internationalen Raumstation ISS gedacht. Das Astronauten-Corps wurde daher für Forscher, Ingenieure, Mediziner und Lehrer und politisch vor allem für Schwarze und Frauen geöffnet. (Am 12. April 1981 startete die "Columbia", Anm.)

Haben Sie anfangs Diskriminierung oder Sexismus in Ihrem männlich dominierten Berufsfeld erfahren?

Ich habe das nicht erlebt. Astronauten werden nicht an ihrem Geschlecht gemessen, sondern an ihrer Fähigkeit, im Krisenfall die richtige Entscheidung zu treffen - unser Leben hängt davon ab, alle müssen kompetent sein. Als Mädchen hatte ich jedoch einen Physiklehrer, der meinte, Frauen hätten in diesem Feld nichts verloren. Auf Dummköpfe emotional zu reagieren, ist aber kontraproduktiv, man muss mit Taten überzeugen.

Wer kann Astronaut werden?

Ich bin Physikerin, Ingenieurin und Doktor der Materialwissenschaften und hatte Berufserfahrung. Der Mindeststandard ist ein Bachelor in Naturwissenschaften, Technik oder Medizin plus drei Jahre Praxis, oder ein Master. Mit mir haben sich 3000 Leute beworben, 35 von uns wurden genommen - jüngst waren es 18.000 und acht wurden genommen.

Was war Ihre prägendste Erfahrung auf der Raumstation ISS?

Eine Shuttle-Mission in die Erdumlaufbahn dauert ein paar Tage. Solche Kurztrips ins All sind wie der Eindruck von einem fremden Land. Am spektakulärsten war es, in die ISS zu übersiedeln und viereinhalb Monate dort zu leben - wie eine Bürgerin des Universums.

Wie darf man sich den Alltag auf der Raumstation vorstellen?

Im Shuttle waren wir durchgetaktet. Auf der ISS hat man hingegen eine Stunde, um sich morgens fertigzumachen. Es folgt die Planungskonferenz mit der Erde und den Aufgaben für den Tag. Die werden dann abgearbeitet: Reparaturen, Innen- und Außenarbeiten, Roboter steuern, forschen, Hausarbeit, täglich Sport. Wir haben unter anderem eine Recyclinganlage für Wasser und neue Geräte eingebaut sowie zwei Experimente gemacht. Am Ende des Tages gibt es eine zweite Planungskonferenz, in der an die vier Kontrollzentren in Houston, Japan, Köln und Moskau berichtet wird. Danach hat man frei zum Abendessen, Faulenzen oder aus dem Fenster schauen.

Wie fühlten Sie sich, wenn Sie von oben auf die Erde schauten?

Es ist wunderschön und erstaunlich. Unser Planet ist fantastisch und unglaublich fragil. Seine Atmosphäre wirkt so dünn, dass man glaubt, man könnte sie einfach wegblasen. Schon auf dem Mount Everest kann man kaum atmen, aber vom Weltraum aus begreift man das erst so richtig: Sie ist kaum da. Es ist unübersehbar, dass wir Acht geben müssen auf den Planeten, der unser Zuhause ist. Außerdem ist die ganze Sache mit den Ländergrenzen gekünstelt: Wir alle sind wie eine Crew in einer Welt miteinander verbunden.

Wie trinkt man Kaffee in der Schwerelosigkeit?

Kaffee ist Pulver in Säcken. Es gibt eine Membran, durch die man eine Nadel steckt, um heißes Wasser zuzuführen. Durch einen verschlussfähigen Strohhalm wird getrunken. Ist der Verschluss offen, kommt Kaffee heraus, aber man darf ja nicht vergessen, ihn wieder zu schließen. Denn man geht nicht, sondern man schwebt überall hin, und die Körperflüssigkeiten fließen nur deswegen normal, weil Muskeln sie umgeben.