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Tuberkulose in Schach

Von Alexandra Grass

Wissen

Obwohl in Österreich im Jahr 2016 mehr Erkrankungen registriert wurden, besteht laut Experten "keine Gefahr".


Wien. Zwar gilt sie nach wie vor als eine der häufigsten und auch gefährlichsten Infektionskrankheiten der Welt, Gefahr bestehe in Österreich und vielen anderen europäischen Ländern trotzdem keine, gaben am Dienstag heimische Experten im Vorfeld des am 24. März stattfindenden Welt-Tuberkulosetages vor Journalisten Entwarnung in Bezug auf die auch Schwindsucht genannte bakterielle Erkrankung. Sorge bereitet ihnen allerdings die Zunahme der Zahl an multiresistenten Infektionen, wie sie auch bei vielen anderen bakteriellen Erkrankungen seit einigen Jahren vermehrt zu beobachten ist.

Die Schwindsucht gilt als Krankheit der Armen und der Flüchtlinge - diese sind auch nach wie vor am ehesten betroffen. Als Risikogruppen nannten die Spezialisten demnach auch Asylsuchende und Obdachlose, aber auch Prostituierte.

Die Zahl der neu diagnostizierten Erkrankungen in Österreich hat im Jahr 2015 exakt 583 betragen. 2016 waren es hingegen laut vorläufigen Daten 644. Ob sich diese Zunahme mit dem Flüchtlingszustrom erklären lässt, ist allerdings nicht ganz klar. Verbesserte Diagnoseverfahren und genauere Screenings könnten ebenso zu diesem Anstieg beigetragen haben, stellte Martina Brix, Expertin im Bundesministerium für Gesundheit und Frauen, fest.

Weltweit ein Drittel infiziert

Denn in Österreich muss bei der medizinischen Erstuntersuchung von Asylwerbern auch ein Lungenröntgen durchgeführt werden. Zudem seien hierzulande regelmäßig Röntgenbusse im Einsatz, um auch die Gefahr für Obdachlose einzudämmen beziehungsweise eine mögliche Erkrankung früh erkennen zu können. Die frühzeitige Diagnose und die darauffolgende effektive Behandlung und Verlaufskontrolle sind die wichtigsten Punkte, um die Erkrankung in Schach halten zu können, betonte Rudolf Rumetshofer von der 2. Internen Lungenabteilung am Otto Wagner Spital in Wien. Dazu sind auch Kriterien im seit Juli 2016 neu geltenden Tuberkulosegesetz festgelegt, das unter anderem die Meldepflicht, die Belehrungspflicht aber auch die Dokumentationspflicht seither massiv verschärft hat.

Der Krankheitserreger Myobacterium tuberculosis, der beim Menschen am häufigsten die Lunge befällt, wurde erstmals im Jahr 1882 durch den deutschen Mediziner und Mikrobiologen Robert Koch beschrieben. Nur etwa fünf bis zehn Prozent der Infizierten erkranken tatsächlich im Laufe ihres Lebens. Weltweit ist ein Drittel der Menschen mit Tuberkulose-Erregern infiziert.

Ansteckungsgefahr bestehe erst bei Akutwerden der Erkrankung durch abgehusteten Schleim, betonte Rumetshofer. Der wichtigste Übertragungsweg ist damit die Einatmung infizierter Tröpfchen, sogenannter Aerosole. Doch wirklich fürchten müsse sich kein Österreicher, betonte Alexander Indra, Experte der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (Ages). "Die Tuberkulose ist eine Erkrankung, die nur bei engstem Kontakt übertragen wird." Bei einer normalen Begegnung auf offener Straße, aber auch in gut durchlüfteten Räumen bestehe keine Infektionsgefahr. Anders sieht es aber etwa in Flüchtlingslagern aus, wo die Menschen auf engstem Raum und kaum gelüfteten Unterkünften ihre Tage verbringen. Wie sehr Vertriebene durch die Erreger gefährdet sind, konnte das Ages-Labor auch mit einem Befund eines Flüchtlings aus Somalia belegen: Er hatte sich offenbar in einem Lager in Libyen infiziert.

Aufgrund modernster DNA-Sequenziermethoden ist es heute auch bei der Tuberkulose schon möglich, den Weg des Bakteriums zurückzuverfolgen, schilderte Indra. Eine wesentliche Aufgabe des Ages-Instituts für medizinische Mikrobiologie und Hygiene ist die Erstellung von DNA-Fingerabdrücken von jedem eingesandten Bakterienisolat. Damit ist es einerseits möglich, Krankheitshäufungen frühzeitig zu erkennen, aber auch die Übertragungswege abzuklären. Big Data kommt also auch hier zur Anwendung. Aufgrund neuer internationaler Studien analysiert das Ages-Referenzlabor seit dem Jahr 2016 alle positiven Proben routinemäßig mittels der Next-Generation-Sequenzierung. Die auf diese Weise gewonnenen Daten werden den lokalen Gesundheitsbehörden zur Verfügung gestellt.

Schnelle Diagnostik

Doch wie steht es um die Behandlung? Rund drei Viertel der neu diagnostizierten Tuberkulose-Erkrankungen sind mit den üblichen Medikamenten vom Anfang an gut behandelbar. Schwieriger wird es bei den multiresistenten Erregern. Sie sind zumindest gegen zwei der Standard-Antibiotika unempfindlich. 2016 wurden in Österreich 14 Fälle multiresistenter Tuberkulose registriert. Einen Vorteil für die Therapiewahl bringt auch die Möglichkeiten der schnelleren Diagnostik. Dauerte früher eine Keimkultur acht bis zwölf Wochen, so ist es heute im besten Fall schon innerhalb von zwei Stunden möglich, Sicherheit über den Erreger zu erlangen und in Folge eine gezielte Therapie einzuleiten.