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Gene bringen Pubertät ins Rollen

Von Eva Stanzl

Wissen
Nichts ist so, wie es war , wenn die Pubertät einsetzt: Je früher man dran ist, desto gefährlicher kann es sein.
© fotolia/syda production.

400 genetische Schalter entscheiden über den Zeitpunkt der Pubertät - je früher sie eintritt, desto höher das Krebsrisiko.


Cambridge/Wien. Aus heiterem Himmel einmal im Monat Bauchschmerzen, Stimmungsschwankungen, Pickel oder Stimmbruch und Bartwuchs: Nichts ist so, wie es war, wenn die Pubertät einsetzt. Wissenschafter haben 389 genetische Signale identifiziert, die beeinflussen, wann die Geschlechtsreife beginnt. Diese genetischen Taktgeber bestimmen das Alter, in dem ein Kind zum Teenager wird, berichtet das internationale Team unter der Leitung der Universität Cambridge im Fachjournal "Nature Genetics". Hintergrund ihrer Arbeit sind Erkenntnisse, wonach eine früh einsetzende Pubertät später im Leben die Krankheitsanfälligkeit erhöhen kann.

Für ihre Studie haben die Forschenden der Cambridge Medical Epidemiology Unit zunächst Gen-Varianten von insgesamt 329.345 Frauen analysiert. Ein Teil der Probandinnen hatte seine genetischen Daten im Rahmen von 40 unterschiedlichen Studien der britischen Biobank Repro Gen zur Verfügung gestellt. Andere Frauen hatten die Leistungen des US-Unternehmens 23andMe, das Privatpersonen Gen-Analysen anbietet, in Anspruch genommen und einer wissenschaftlichen Verwertung zugestimmt.

Die Forscher identifizierten 389 verschiedene Signale für den Start in der Sexualreife bei Frauen. Die Ergebnisse verglichen sie mit Daten von 39.543 Frauen aus der Bevölkerung Islands. (Das Land erfasst seine Einwohner anhand von Blut- und Gewebeproben, Familienstammbäumen und Krankenakten.) Laut den Forschern decken sich die Ergebnisse. Zudem beeinflussen die Signalfaktoren auch den Stimmbruch, mit dem die männliche Pubertät einsetzt. Das zeigten vergleichbare Daten der britischen Biobank und des US-Unternehmens an 55.871 Männern.

Die Geschlechtsreife setzt individuell zu verschiedenen Zeitpunkten ein, jedoch haben Familienmitglieder ein ähnliches Timing. "Die mehr fast 400 genetischen Signale sind ein großer Fortschritt, jedoch erklären sie nur etwa 25 Prozent der Erbfaktoren dieser Schlüsseltransformation vom Kind zum Erwachsenen", wird Studienleiter John Perry in einer Aussendung seiner Universität zitiert. "Der Zeitpunkt ist von bemerkenswerter biologischer Komplexität. Wir gehen davon aus, dass tausende Erbfaktoren beteiligt sind."

Mehr Sexualhormone

Die Ergebnisse untermauern Erkenntnisse, wonach eine frühe Geschlechtsreife das Krebs-Risiko erhöht. Betroffene haben laut den Forschern später im Leben eine höhere Anfälligkeit für hormonell bedingte Tumorarten - wie Brust-, Eierstock- oder Prostatakrebs. Zu den Gründen gab es bisher nur Spekulationen. Laut dem Team könnten äußere Risikofaktoren wie etwa Fettleibigkeit, die sich auf den Stoffwechsel und den Hormonhaushalt auswirkt, eine geringere Rolle spielen als angenommen. "Randomisierte Analysen zeigen kausale Verbindungen zwischen Krebs und früher Pubertät, die unabhängig vom Body Mass Index sind", sagt Perry: Möglicherweise liege es an dem Mehr an Sexualhormormonen.

Eine verbesserte Grundversorgung, Übergewicht bei Kindern und Chemikalien gelten als Ursache dafür, dass die sexuelle Reife heute früher beginnt als vor 150 Jahren. Das durchschnittliche Alter, in dem Mädchen ihre erste Regelblutung bekommen, liegt heute bei 12 bis 13 Jahren. Die Brust kann sogar schon mit neun oder zehn Jahren zu wachsen beginnen. Auch der männliche Hoden kann sich heute schon ab 11 Jahren vergrößern. Besonders in Fettgewebe entsteht der Botenstoff Leptin, der die Pubertät vorantreibt: Je dicker ein Kind ist, desto früher entwickelt es sich somit zum Erwachsenen.

"Diese speziellen Entwicklungen haben zwar nichts mit den Genen zu tun", erklärt Perry auf Anfrage der "Wiener Zeitung": "Aber auch sie stellen ein Risiko dar, Diabetes Typ 2, Krebs und Herzkreislauferkrankungen zu erleiden, einfach weil sie die Pubertät nach vor legen." Die Forscher wollen nun herausfinden, wie man entgegenwirken könnte.