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Treibhauswärme im Permafrost

Von Roland Knauer

Wissen
Der Lena-Fluss in Sibirien mit seinem Dauerfrostboden könnte weiter auftauen.
© Fotolia/timursalikhov

Der tauende Dauerfrostboden in Sibirien und Nordamerika könnte das Klima weiter aufheizen.


Berlin. Schier endlos dehnt sich die Schneefläche unter dem eisigen Himmel über dem Delta des Lena-Stroms, der hoch im Norden Sibiriens in die Laptewsee und damit ins Nordpolarmeer mündet. Selbst im April ist das Eis auf den Seen ein paar Hundert Kilometer nördlich des Polarkreises noch zwei Meter dick, der Klimawandel scheint sehr weit weg zu sein. Und doch könnten die steigenden Temperaturen den bis in mehr als 500 Meter Tiefe dauernd gefrorenen Boden im Sommer ein Stück weiter als bisher auftauen.

Dort aber liegen viele Reste von Tieren und Pflanzen aus früheren Zeiten begraben, die dann von Mikroorganismen zersetzt werden können. Dabei werden Treibhausgase frei, die den Klimawandel zusätzlich anheizen dürften. Jens Strauss von der Permafrost-Forschung des Alfred-Wegener-Instituts (AWI) in Potsdam und seine Kollegen vom Deutschen GeoForschungsZentrum (GFZ) und von der sibirischen Abteilung der Russischen Akademie der Wissenschaften in Jakutsk und Nowosibirsk haben also gute Gründe, den gefrorenen Boden im Delta der Lena genauer zu betrachten.

Organische Reste

"Immerhin stecken in den dauernd gefrorenen Böden, die ein sattes Viertel der Landfläche auf der Nordhalbkugel einnehmen, genug organische Reste, um beim Auftauen die Temperaturen bis zum Jahr 2300 weltweit um 0,4 Grad Celsius steigen zu lassen", sagt Strauss. Und das zusätzlich zu dem von uns Menschen verursachten Klimawandel. Nur lässt sich dieser durch entsprechende Maßnahmen wie Umstellen auf nachhaltige Energie noch bremsen. Tauen dagegen die Dauerfrostböden weiter auf, lasse sich dieser Prozess kaum noch stoppen. Obendrein beruhen die Zahlen zu den erwarteten Treibhausgas-Mengen von dort auf recht ungenauen Schätzungen, weil die meisten Frostböden in abgelegenen Regionen liegen und bisher kaum untersucht wurden.

Es scheint also höchste Zeit, den hohen Norden genauer unter die Lupe zu nehmen. Die beste Zeit für Expeditionen in diese abgelegenen Regionen ist der April. Bei Temperaturen bis minus 29 Grad Celsius ist der Boden dann bis an die Oberfläche gefroren und die Eisdecke auf den Seen trägt die von Raupen-Fahrzeugen gezogenen Schlitten mit der Ausrüstung der Forscher und den Wohn-Containern problemlos.

Zwar dauern die Arbeiten bei solchen Temperaturen länger als im Sommer. Nur würden dann Forscher und Geräte gleichermaßen im Schlamm versinken, weil die obersten Bodenschichten bis zu einem halben Meter tief auftauen. Im Aprilwinter dagegen bohren die Forscher erst durch die zwei Meter dicke Eisdecke auf einem der unzähligen Seen, die später in der Sommersonne blitzen werden. Unter dem Eis aber bleibt das Wasser auch im Winter flüssig. Dieses mit Temperaturen wenig über dem Gefrierpunkt eigentlich kalte Wasser enthält noch genug Wärme, um den Dauerfrostboden darunter nachhaltig aufzutauen.

Bohrkerne am Weg

"30 Meter unter dem Grund des Sees war der Boden bei unserer Bohrung nicht mehr gefroren", berichtet Strauss von der jüngsten Expedition im April. Was in dieser Schicht und in den nächsten Metern des darunter liegenden Bodens passiert, werden die Forscher erfahren, wenn die Bohrkerne Ende 2017 in Potsdam ankommen. Der Forscher wird dann die Struktur der verschiedenen Schichten genauer anschauen.

Welche Partikel stecken im Boden, wo kamen sie einst her? Vor allem aber will er wissen, welche Mengen an Kohlenstoff-Verbindungen dort stecken, von denen sich die Mikroorganismen der Tiefe ernähren können. "Dort gibt es Archaeen genannte Mikroorganismen, die solche Reste von Moosen und Gräsern verdauen und dabei Methan produzieren", so Susanne Liebner vom GFZ. In der Atmosphäre aber lässt dieses Gas die Temperaturen hundert Mal schneller als Kohlendioxid steigen. Genau das könnte die Temperaturen um weitere 0,4 Grad Celsius steigen lassen.

Jedoch gibt es in den Böden auch andere Organismen, die sich von diesem Methan ernähren. Dabei produzieren sie zwar mit Kohlendioxid ein weiteres Treibhausgas, das aber die Temperaturen viel langsamer in die Höhe treibt und daher ein geringeres Übel ist. Vielleicht fangen sie ja das gesamte Methan ab. Möglicherweise blubbert es aber an der Grenze zum dauernden Frost so schnell aus den auftauenden Böden, dass die Mikroorganismen kaum etwas von ihm erwischen.

Was genau passiert, werden die Bohrkerne verraten. In Zukunft wollen die Forscher noch weitere Dauerfrostböden untersuchen, um den Treibhausgas-Beitrag des hohen Nordens abzuschätzen.