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Schwere Grippewelle befürchtet

Von Eva Stanzl

Wissen
© stock.adobe/Nichizhenova Elena

Ein hartnäckiges australisches Virus könnte demnächst die Grippesaison eröffnen.


Wien. Es begann mit dem üblichen Halskratzen, trockenem Rachen und einem schlappen Gefühl in den Gliedern. Den erfahrenen Mediziner irritierte das kaum: Peter Moller schluckte zwei Aspirin und legte sich abends früher hin. Doch schon in der Nacht stieg ein Husten auf, der sich am Morgen zu einem herzerreißenden Bellen verkrampfte, das ihm Schmerzen bis in die Lungenflügel bereitete. "Das Schlimmste aber war die überwältigende Müdigkeit - ich konnte mich nicht einmal im Bett aufsetzen", berichtet der Rheumatologe aus Christchurch, Neuseeland, im Telefonat mit der "Wiener Zeitung". Schnupfen und Fieber blieben zwar aus, doch aus den Fängen dieser Influenza konnte er sich ganz zwei Wochen lang nicht befreien.

In Australien und Neuseeland, wo der Winter gerade zu Ende geht, tobt eine der schwersten Grippewellen jemals. Experten des Auckland Hospital berichten von drei Mal so vielen Grippe-Patienten wie im Vorjahr, das neuseeländische Gesundheitsministerium vor einer Epidemie. Schuld ist der Erreger H3N2 aus dem A-Stamm der Influenzaviren. Jill Sherwood, Expertin vom Institut für Umweltforschung und Public Health in Auckland, berichtete von einer Mutation von H3N2 im Lauf der Saison, die verhindere, dass vorhandene Impfungen ihre Wirkung voll entfalten.

Auch in Australien wütet die Grippe. Bisher wurden auf dem Kontinent 98.000 Fälle von Influenza-Erkrankungen gezählt, besonders unter Kindern und älteren Menschen. Nur zehn Prozent der Australier lassen sich impfen.

Auch Österreich in Gefahr

Grippewellen starten auf der Südhalbkugel im dortigen Winter und kommen danach zu uns. Im Jahresverlauf gilt der australische Trend daher als richtungsweisend für Europa. Aus genau diesem Grund holen die Briten schon jetzt tief Luft, um sich vorzubereiten. In einer Rede bei einer Konferenz in Manchester diese Woche warnte der Chef des Nationalen Gesundheitsdienstes NHS (National Health Service), Simon Stevens, vor den Gefahren einer schweren Grippewelle. "Der globale Reise- und Handelsverkehr erhöht die Chancen, dass das Virus bis Ende des Jahres Europa erreicht und sich hier verbreitet. Die NHS plant ein Plus von bis zu 3000 Spitalsbetten für Influeza-Patienten ein."

"Die derzeit heftige Grippesaison mit dem Influenzavirusstamm H3N2 in Australien lässt befürchten, dass es auch in der nördlichen Hemisphäre eine im Vergleich zum letzten Jahr schwerer verlaufende Grippesaison geben wird", bekräftigt Florian Thalhammer, Professor für Infektiologie der Universitätsklinik für Innere Medizin in Wien. "In der letzten Influenzasaison war ebenfalls H3N2 vorherrschend. Die wichtigste Prophylaxe-Maßnahme wird sein, sich rechtzeitig impfen zu lassen", sagt er auf Anfrage der "Wiener Zeitung". Mit einer Impfrate von knapp zehn Prozent unterbieten die Österreicher derzeit allerdings sogar die wenig enthusiastischen Australier.

Aus dem Gesundheitsministerium in Wien war am Freitag zu erfahren, dass die Lage akribisch beobachtet werde. Zusätzliche Spitalsbetten seien derzeit noch nicht vorgesehen, jedoch sei der Impfstoff für heuer nach den Richtlinien der Weltgesundheitsorganisation WHO bereits auf dem Weg.

Eine Schwierigkeit bei Grippe-Impfungen ist, dass Influenza-Viren im Lauf einer einzigen Saison mutieren. Gleichermaßen könnte sich die auf der anderen Seite der Erde kursierende Variante von H3N2 auf dem Weg nach Europa erneut modifizieren, wodurch auch die neuen Impfstoffe nicht 100-prozentig passen würden.

"Wir wissen aus der Vergangenheit, dass H3N2-Stämme besonders schwere Verläufe verursachen, besonders bei Kindern und älteren Menschen, wo es zu mehr Erkrankungen und einer höheren Todesrate kommt", erläutert Ursula Wiedermann-Schmidt, stellvertretende Leiterin des Zentrums für Infektiologie der Medizinuni Wien. "Aber es lässt sich schwer vorhersagen, wie es wirklich wird. Was in Australien passiert, muss in Europa nicht eins zu eins so stattfinden."

Wiedermann-Schmidt hält es für möglich, dass die Grippewelle wetterbedingt heuer bereits vor Ende des Jahres eintritt und betont: "Auf jeden Fall mildern Vakzine den Verlauf und senken somit auch die Sterberaten."