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Warum wir (meistens) unsere Freunde lieben

Von Eva Stanzl

Wissen
Zeit mit Freunden: Warum sie nicht für alle erholsam ist, untersuchen Forscher.
© fotolia/igor_kell

Freundschaft dient dem Überleben. Damit wir das auch begreifen, muss das "Liebeshormon" Oxytocin die Fäden ziehen.


Wien. Ein Paar besucht die Geburtstagsparty eines Freundes. Sie kennt viele Leute und redet mit allen, amüsiert sich königlich und verlässt das Fest bestens gelaunt. Ihm verschlägt es die Sprache. Er steht am Rande, findet alles zu laut und zählt die Minuten, bis er nach Hause darf.

Warum manche Menschen Gesellschaft als anregend empfinden und andere sich in größeren Runden unwohl fühlen, erforschen Robert Malenka und Lin Hung von der Stanford University Medical School in Kalifornien. "In unseren Zeiten von Terrorismus und Hass erscheint es wichtig, zu verstehen, welche Schalter im Gehirn uns veranlassen, freundlich zu anderen zu sein", erläutert Malenka. In einer Studie im Fachjournal "Science" berichtet der Stanford-Professor für Psychiatrie über erste Grundlagen zu einer bisher wenig beantworteten Frage.

Laut den Forschern ist das Belohnungssystem ausschlaggebend. "Wir haben uns jene Gehirn-Schaltkreise angesehen, die ein positives Erlebnis auslösen, wenn man jemanden mag oder einem guten Freund begegnet", sagt Malenka: "Das Belohnungssystem sagt uns, dass etwas gut für uns ist, weil es sich gut anfühlt. Das erhöht die Überlebenschancen und erleichtert die Fortpflanzung." Daher schmeckt den Hungrigen das Essen. Erfrischt Wasser Durstige. Machen Freunde durchaus Freude.

Wohlige Dopamin-Dosis

Zentral im Belohnungszentrum ist laut den Forschern ein Nervenstrang, der vom Mittelhirn (einer Region namens Area tegmentalis ventralis) zu einer Kernstruktur im Vorderhirn (Nucleus accumbens) verläuft. Nervenzellen-Impulse schicken einen Stoff namens Dopamin in den Nucleus accumbens. Ein wohlig-angenehmes Gefühl macht sich breit. Das Gehirn erkennt: Was gerade stattfindet, dient dem Überleben. Dopamin, auch als "Glückshormon" bekannt, hilft auch dabei, dass sich das Gehirn erinnert - also regelmäßig isst, trinkt und Sex hat.

Doch warum schüttet das Denkorgan auch bei sozialen Zusammenkünften Dopamin aus? "In der Evolution bring Freundschaft soziale Vorteile, weil starke Gruppen weniger leicht von Raubtieren angefallen werden", so Malenka: "Zudem steigen die Paarungschancen und eröffnen sich neue Nahrungs- und Wasserquellen." Allerdings ziehe bei sozialen Beziehungen das "Liebeshormon" Oxytocin die Fäden für positive Gefühlsreaktionen. Die Substanz macht verliebt und stärkt die Mutter-Kind-Beziehungen und langfristige sexuelle Bindungen. Es wird in einem Kerngebiet des Zwischenhirns (Hypothalamus) freigesetzt, das Körpertemperatur, Hunger, Durst, Schlaf und Gefühle steuert.

Die Forscher entdeckten einen Signalpfad zwischen Zwischen- und Mittelhirn, der Oxytocin transportiert. Die Substanz reist durch den Pfad, indem sie sich an Rezeptoren der Dopamin-freisetzenden Nervenzellen anhängt. Wie sich zeigte, sind jene Nervenzellen, die das "Liebeshormon" freisetzen, besonders aktiv, wenn Mäuse mit anderen Mäusen in Kontakt treten. Die Aktivität scheint eine Voraussetzung für soziales Verhalten zu sein. Als die Forscher den Signalweg unterbrachen, wendeten sich die Tiere von den Artgenossen ab.

Malenka und Hung sehen neue Möglichkeiten für Therapien von Menschen mit Autismus. Die Erkrankung geht mit einer Abneigung gegen Sozialkontakte einher. In weiterer Folge wollen die Forscher das Sozialverhalten von gesunden Menschen ergründen.