Wien. Als die Frauen in der Jungsteinzeit von Sammlerinnen zu Bäuerinnen wurden, mussten sie tausende Jahre lang schwere körperliche Arbeit leisten. Bis zur Eisenzeit hatten sie so kräftige Oberarme wie heutige Ruderinnen, berichtet ein britisch-österreichisches Forscherteam im Fachblatt "Science Advances". Erst im Mittelalter ließ der Muskelaufbau wieder nach.
Die Studienergebnisse zeigen, dass die körperliche Routinearbeit von Frauen, die zur Zeit der Entstehung der Landwirtschaft lebten, strapaziöser war als die körperliche Anforderung an heutige Spitzensportlerinnen. Für ihre Analyse untersuchten die Wissenschafter die Knochen mitteleuropäischer Frauen, die während der ersten 6000 Jahre der Agrargeschichte lebten, und verglichen sie mit den Knochen heutiger Athletinnen. Das händische Ernten und Bestellen der Äcker sowie das Mahlen von Mehl aus Getreide für manchmal bis zu fünf Stunden pro Tag hat in den Knochen Spuren hinterlassen, die auf einen kräftigen Bizeps hindeuten.
Technik sorgte für Verlust
"Wir haben dabei nicht nur die Dicke der Knochen gemessen, sondern auch ihre Robustheit anhand biomechanischer Charakteristika untersucht. Also zum Beispiel ihre Feinstruktur, die Winkelung und wie ausgeprägt der feste Außenteil im Vergleich zum Knochenmark ist", schildert Ron Pinhasi vom Department für Anthropologie der Universität Wien. Knochen sind ein lebendes Gewebe, das sich der körperlichen Belastung anpasst, und geben daher Auskunft über die körperlichen Aktivitäten ihrer Besitzerinnen.
In den ersten 6000 Jahren der Landwirtschaft waren die Oberarme der Bäuerinnen besonders kräftig, berichten die Forscher. Die untersuchten Knochen der Frauen aus der Jungsteinzeit stellen sich als um elf bis 16 Prozent stärker heraus als jene von Athletinnen des Cambridge-Ruderteams.
Zu dieser Zeit waren Frauen aber ganz offensichtlich nicht viel mehr auf den Beinen unterwegs, als es bei heutigen Durchschnittsfrauen der Fall ist. Denn ihre Schienbeinknochen waren ähnlich stark. Die kräftigsten Beine aller untersuchten Zeiten weisen heutige Läuferinnen und Fußballerinnen auf.
Im Mittelalter verloren die Frauen aber ihre Armkraft auf einen Schlag. Fortschritte in Technik, wie etwa von Wind- und Wasserkraft angetriebene Mühlen, befreiten sie offensichtlich von der harten Handarbeit. Die Oberarmknochen der mittelalterlichen Frauen waren schon vergleichbar mit jenen von heute, berichten die Forscher.
Die Interpretation von weiblichen Knochen in einem frauenspezifischen Kontext zeige deutlich, wie intensiv, unterschiedlich und mühsam ihre Tätigkeiten waren, schreiben die Studienautoren. Die Daten trage somit dazu bei, dass ein Stück bislang unbekannte Geschichte von Frauenarbeit über tausende von Jahren hinweg dokumentiert wird.