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Eizellen aus der Petrischale

Von Eva Stanzl

Wissen
Vergrößerung einer befruchtungsfähigen Eizelle aus dem Labor.
© David Albertini

Ein Forschungsteam ließ erstmals Eizellen komplett im Labor heranwachsen.


Wien. Es ist ein Schritt in Richtung künstliche Geschlechtszellen: Ein Forschungsteam ließ erstmals Eizellen komplett im Labor heranreifen. Aus den Eierstöcken von Frauen entnommene, unreife Vorläufer der Eizellen hätten sich in der Petrischale so weit entwickelt, dass sie sogar befruchtet werden könnten, berichteten die Forschenden aus Schottland und den USA am Freitag im Fachmagazin "Molecular Human Reproduction".

Zum Hintergrund: Eizellen-Vorläufer bilden sich bereits im weiblichen Embryo. Bei der Geburt ist bei Mädchen etwa eine halbe Million dieser Primärfollikel in den Eierstöcken vorrätig. Dort warten sie bis zur Pubertät. Unter dem Einfluss der Geschlechtshormone können sich einige von ihnen weiterentwickeln, um im weiblichen Zyklus heranzureifen. Im Laufe dieser etwa 28 Tage werden sie entweder befruchtet und eine Schwangerschaft beginnt, oder sie sterben ab und verlassen den Körper mit der Monatsblutung.

Das Forschungsteam um Melissa McLaughlin von der schottischen Universität Edinburgh hat nach eigenen Aussagen zehn Frauen Primärfollikel aus der "Vorratskammer" der Eierstöcke entnommen. Die Probandinnen waren zwischen 20 und Mitte 30 Jahre alt. In einem vierstufigen Verfahren konnten neun der 48 entnommenen Vorläuferinnen mit verschiedenen Kulturmedien binnen 20 Tagen zur Zyklusreife gebracht werden. Zuvor waren derartige Experimente nur mit Eizellen von Mäusen durchgeführt worden. Dieser ist laut dem Forschungsteam "der erste derartige Versuch mit menschlichen Oven". Für den Wiener Reproduktionsmediziner Wilfried Feichtinger ist die Sache dennoch nicht ganz neu. "Etwas Ähnliches wird in der Praxis bereits bei der In-vitro-Maturation gemacht", sagt er zur "Wiener Zeitung". Doch er räumt ein: Die Weiterentwicklung zur Reifung ab dem Eizell-Frühstadium "könnte Mädchen, die vor der Pubertät eine Chemotherapie machen müssen, die Fruchtbarkeit erhalten."

Befruchtung als Ziel

Zur Erklärung: Bei der künstlichen Befruchtung durch In-vitro-Fertilisation erhält die Frau üblicherweise Hormone, die die Reifung mehrer Eizellen stimulieren. Diese Eizellen werden entnommen, befruchtet und in den Mutterleib eingebracht. Bei Frauen mit Eizell-Reifungsstörungen ist das jedoch so nicht möglich. Daher werden ihnen Follikel (zwar nicht als Primärfollikel, aber doch) in einem relativ frühen Stadium aus dem Eierstock entnommen und im Reagenzglas zwei bis drei Tage lang nachgereift. Da die Chancen auf eine Schwangerschaft aber hier bei nur zehn bis 15 statt wie üblich bei 30 Prozent liegen, kommt die In-vitro-Maturation eher nur dann zum Einsatz, wenn sie medizinisch unumgänglich ist.

Der Entwicklungsbiologe Azim Surani von der Universität Cambridge, einer der führenden Forscher auf dem Gebiet der Epigenetik, wies am Freitag daraufhin, dass die von den Forschern gezüchteten Eizellen kleiner als gewöhnliche Zellen seien und erst herausgefunden werden müsse, ob sie tatsächlich im Reagenzglas befruchtet werden könnten. McLaughlin und ihre Kolleginnen kündigten an, entsprechende Tests durchführen zu wollen, falls sie die Erlaubnis erhalten sollten.

Das Forschungsteam stellte außerdem in Aussicht, dass junge Mädchen, die sich einer Chemotherapie unterziehen müssen, sich vor der Behandlung ihre Primärfollikel entnehmen lassen könnten. Die Zellen könnten eingefroren und später im Labor herangezüchtet und befruchtet werden. Die bisherige Methode, bei der Krebspatientinnen Eierstockgewebe entfernt und später wieder eingepflanzt wird, berge nämlich das Risiko, dass auch der Krebs wieder zurückkehrt.

Experten bewerteten die neue Studie als vielversprechend, warnen aber vor zu hohen Erwartungen. Es würde noch Jahre dauern, um aus den Forschungsergebnissen eine neue Therapieform zu entwickeln, sagte Channa Jayasena vom Londoner Imperial College zur Austria Presse Agentur - dennoch sei den Wissenschaftern ein "wichtiger Durchbruch gelungen".

Erst Ende 2014 war es erstmals gelungen, Vorläufer von Eizellen und Spermien aus menschlichen Körperzellen zu züchten. Sollte das irgendwann Routine werden, könnten Geschlechtszellen aus Körperzellen in Reagenzgläsern heranreifen.