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Wenn Roboter Bewusstsein erlangen

Von Eva Stanzl

Wissen

Der Forscher Hiroshi Ishiguro hat einen Roboter nach seinem Ebenbild gebaut. Er will herausfinden, was Mensch sein heißt.


Wien. Die wenigsten Professoren halten gerne Jahr für Jahr die gleiche Vorlesung. Zur Lösung baute sich der japanische Robotiker Hiroshi Ishiguro deshalb seinen eigenen Doppelgänger aus Silikon und Elektronik. Geminoid HI hat, genau wie der Direktor des Intelligent Robotics Laboratory der Universität Osaka, einen schmalen Körperbau, markante Augenbrauen und mandelförmige Augen - deren Glanz allerdings etwas statischer ist als jener des Originals aus Fleisch und Blut. Über einen Computer gesteuert, imitiert der Roboter das Mienenspiel seines Schöpfers. Wenn Hiroshi Ishiguro den Kopf neigt, macht er es auch, wenn er spricht, gibt er die Worte wieder. Die "Wiener Zeitung" sprach mit dem Robotiker am Rande der bis Samstag laufenden Fachtagung "Robo Ethics" des Instituts für Philosophie der Universität Wien über die Wechselbeziehung von Mensch und Maschine.

"Wiener Zeitung": Was inspirierte Sie zu der Idee, einen Roboter als Ihr Ebenbild zu bauen?Hiroshi Ishiguro: Es ging mir nicht darum, meine Erscheinung zu kopieren. Vielmehr hatte ich vorher einen weiblichen Roboter gemacht, der mich in Aussehen und Verhalten überraschte. Ich wollte noch mehr überrascht werden und dachte, wenn ich einen Androiden von mir selbst machen würde, dann wäre das der Fall - er sollte meine Arbeit inspirieren. Zudem fand ich es interessant, meine Präsenz an entfernte Orte zu transferieren, und dass mein Roboter mir gelegentlich eine Vorlesung abnehmen könnte. Es war ein erfolgreiches Forschungsprojekt, wir haben viele Publikationen dazu gemacht.

In einem Vortrag erklärten Sie, Geminoid HI gebe einen guten Spielkameraden für Ihre damals fünfjährige Tochter ab. Hält die Weiterentwicklung des Roboters mit jener Ihrer Tochter mit?

Nein, das ist nicht möglich, die menschliche Entwicklung ist viel schneller. Wir rüsten Geminoid HI aber auch nicht mehr weiter auf, weil wir nicht immer am selben Roboter arbeiten können. Es werden immer neue Resultate erwartet, demzufolge müssen wir immer neue Projekte starten und neues Wissen gewinnen. Zur Zeit erforschen wir, wie wir einen Roboter auf der Basis von Wunsch und Vorsatz programmieren können.

Wie kann sich eine gefühllose Maschine etwas wünschen?

Wunsch und Begehren sind ebenso programmierbar wie der Vorsatz, sich einen Wunsch zu erfüllen. Auch die Gesichtsausdrücke für die damit verbundenen Gefühle können wir programmieren. Damit Roboter gute Beziehungen mit Menschen pflegen können, benötigen sie diese Gesichtsausdrücke, denn ohne sie können Menschen Roboter nicht verstehen. Natürlich lernen wir dabei etwas über den Menschen. Um humanoide Roboter zu bauen und laufend zu verbessern, müssen wir menschliches Verhalten in der Tiefe verstehen.

Menschen haben Gefühle, Gedanken, Präsenz und alles, was im weitesten als Seele bezeichnet wird. Was ist "Seele" beim Roboter?

Seele ist schwierig, denn sie ist ein mehrdeutiges Konzept. Bevor wir damit anfangen, müssen wir mehr über Bewusstsein und Intelligenz verstehen.

Können Roboter ein Bewusstsein haben?

Das ist die Frage und der nächste Schritt unserer Arbeit. Derzeit konzentrieren wir uns auf Intelligenz, aber sie reicht nicht aus für einen humanoiden Roboter. Beim Menschen erwarten wir Bewusstsein, und das braucht auch ein Roboter. Denn nur wenn der Mensch spürt, dass der Roboter Bewusstsein hat, können sie Freunde werden.

Gibt es einen moralischen Unterschied zwischen dem Lebewesen Mensch und einem Roboter, der sich wie ein Mensch verhält?

Ich bin nicht sicher, ob ich die Frage verstehe. Auf jeden Fall aber müssen Roboter Moral haben, denn wir leben in derselben Gesellschaft und ohne Moral können wir einander nichts Gutes tun. Gleichzeitig müssen wir Menschen freundlich sein zu Robotern, weil sie uns immer ähnlicher werden. Sie sind mehr als bloße Maschinen. Wenn jemand einen Roboter-Hund rücksichtlos zerstören würde, indem er auf ihn eintritt, dann würden Sie diesen Menschen vermutlich skeptisch beäugen, oder?

Nicht unbedingt - der Roboter- Hund ist ja nur eine Imitation des Lebens.

Warum sagen Sie, dass Roboter Imitationen sind? Können Sie klar definieren, was Leben ist? Ich kann das nicht, weil es eine solche Definition nicht gibt.

Leben ist schmerzempfindlich, Leben kann lieben. Reicht das?

Erstens kann man Schmerzempfinden programmieren und zweitens gibt es Menschen, die keinen Schmerz empfinden. Und es gibt Menschen, die Liebe vortäuschen. Wir müssen somit immer raten, was andere empfinden. Mein Punkt ist der, dass wir viel zu wenig darüber wissen, was Leben und Bewusstsein sind, also können wir Roboter und Menschen nach diesen Kriterien nicht vergleichen.

Sie können sich über meine Fragen ärgern oder freuen, Ihr Roboter nicht. Ist das der Unterschied?

Roboter können Gefühle simulieren - und vielleicht simuliere ich ja auch. Als junger Mensch konnte ich jedenfalls nicht wütend werden und musste Wut trainieren. Mein Punkt ist: Wir wissen nicht, was den Menschen so speziell macht. Es sind nicht unbedingt Gefühle, ja nicht einmal ein Körper aus Fleisch und Blut, zumal wir Körperfunktionen durch mechanische Teile ersetzen können.

Wie schwer ist es, Robotern Gefühle zu geben?

Die Repräsentation ist leicht - wir können Robotern traurige, wütende oder lachende Gesichter geben. Aber die tieferen Ebenen der Gefühle sind ein unbekanntes Terrain. Wir wissen nicht, warum sie wie entstehen. Babys weinen, ohne die Bedeutung ihrer Tränen zu kennen, Trauer empfinden sie erst später im Leben: Das Verhalten steht am Anfang, das Gefühl dazu kommt danach.

Wie kamen Sie zu Ihrem Beruf?

Roboter sind mir eigentlich gar nicht so wichtig. Ich wollte Künstler werden - Maler, um genau zu sein. Dann landete ich bei den Computerwissenschaften und jetzt möchte ich mehr über das Menschsein erfahren.