Zum Hauptinhalt springen

Lernen vom Tier

Von Eva Stanzl

Wissen
Der massige Elefant besteht aus viel mehr Zellen als der Mensch und wird fast ebenso alt.
© U of U/Temel Yasar

Was Nacktmulle mit Elefanten gemein haben: Forscher untersuchen, warum einige Tiere keinen Krebs bekommen.


Wien.Jede Zellteilung erneuert den Körper. Dabei kann aber auch etwas schiefgehen, etwa wenn die Zelle mutiert und Krebs verursacht. Der massige Elefant besteht aus unzählig mehr Zellen als der Mensch und wird fast ebenso alt. Trotzdem bekommt er nur in Ausnahmefällen Krebs. US-Wissenschafter wollen wissen, warum. Sie suchen nach Elementen im Genom des Dickhäuters, die ihm diesen besonderen Schutz verleihen. Und sie nehmen auch andere Tiere mit außergewöhnlichen Fähigkeiten unter die Lupe.

Etwa studieren sie das Genom der Fledermaus, um abweichende Entwicklungen der Extremitäten besser zu verstehen. Das Erbgut des farbenblinden Delfins, ein Säugetier, das im Wasser lebt, soll neue Erkenntnisse zur Hornhaut-Bildung und zu der Fähigkeit zum Druckausgleich liefern. Die Forscher gehen davon aus, dass dadurch die Bluterkrankheit besser behandelt oder sogar verhindert werden könnte. Jene Genabschnitte, die dem Dreizehnstreifenhörnchen sein charakteristisches Muster verleihen, sollen über ungewöhnliche Pigmentierungen Aufschluss geben und der Nacktmull die Forscher zur Entstehung von Glaukom erhellen. Auch er bekommt übrigens keinen Krebs.

"Wir betreten Neuland"

Das interdisziplinäre Team der Universität Utah hat anhand dieser Tiermodelle erforscht, ob es ähnliche Reparatur-Regionen beim Menschen gibt und wie diese mobilisiert werden könnten, um vor Krankheit zu schützen. Das Spektrum potenziell hilfreicher DNA-Abschnitte ist groß, denn die Forschenden konzentrieren sich auf die enorme Menge an nichtcodierenden Regionen im Genom von Säugetieren. Nur zwei Prozent des menschlichen Erbguts enthalten den Code für die Herstellung von Proteinen, die nahezu alles im Körper regeln - von Zellbewegungen über Organfunktionen, von der Körperstruktur bis zum Metabolismus. Das restliche Erbgut besteht aus nichtcodierender Desoxyribonukleinsäure. Sie wurde lange als "Junk-DNA" oder "Mist" bezeichnet, weil man annahm, sie hätte keine Funktion. Heute sind viele Abschnitte nichtcodierender DNA bekannt, die essenzielle Funktionen ausüben, etwa in der Genregulation und der Chromosomen-Struktur. Manche Arten spielen auch wichtige Rollen in der Evolution und werden von Generation zu Generation im Körper konserviert. Wie die Forscher um Elliott Ferris und Christopher Gregg im Fachblatt "Cell Reports" berichten, hat der Elefant seine Krebs-Resistenz dieser keineswegs mistigen "Junk-DNA" zu verdanken.

"Wir untersuchen die nichtcodierenden Regionen, um neue Teile des Genoms zu finden, die für Erkrankungen zuständig sind", erläutert Gregg, Professor für Neurobiologie in Utah, in einer Aussendung. Dazu identifizierten er und seine Kollegen Regionen, die sich in der Evolution sehr schnell weiter entwickelt haben. Solche "beschleunigten Regionen", wie sie heißen, brachten etwa den opponierbaren Daumen beim Menschen hervor, als dieser sich vom Affen abspaltete. Die Forscher entdeckte tausende solcher Bereiche in jedem Tier, die Fledermaus-Flügel, elefantöse Körpergröße oder die 13 Streifen des Hörnchens ins Leben riefen. Zudem identifizierten sie beim Elefanten drei Gene, die mit einer großen Anzahl an beschleunigten Regionen zusammenhängen. Sie alle spielen eine Rolle bei der Reparatur von DNA-Mutationen. Weiters konnten sie zeigen, wie Gene, die diese Erbgut-Sanierung in Gang setzen, mit den beschleunigten Regionen zusammenspielen. "Das Ergebnis ist ein Atlas von nichtcodierenden Gen-Sequenzen im Säugetier-Genom, die möglicherweise gegen Krebs resistent machen, und die auch im Menschen vorhanden sind", betont Gregg. Als Nächstes müsse erforscht werden, ob sie auch beim Menschen diese Rolle spielen. "Wir betreten Neuland", sagt Gregg.