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Daten, der Schlüssel zu Wissen

Von Eva Stanzl

Wissen
© fotolia/sdecoret

Die Regierung will persönliche Daten für die Forschung öffnen - Freigabe von Elga-Gesundheitsdaten noch fraglich.


Wien. Das Bedürfnis, persönliche Informationen zu schützen, existiert nicht erst, seit Cambridge Analytica in großem Stil Daten von Facebook-Nutzern sammelt und analysiert, um auf deren Grundlage durch gezielte Botschaften das Wählerverhalten zu beeinflussen. "Der Bedarf nach Datenschutz ist allzu verständlich und vermutlich ist diese Affäre nur die Spitze des Eisbergs. Andererseits benötigt die Forschung ihre Freiheit und ohne Daten-Austausch ist diese Freiheit eine leere Formulierung", betonte Hannes Androsch, Vorsitzender des Rats für Forschung und Technologieentwicklung, am Freitag bei einer Pressekonferenz des Wissenschaftsministeriums.

Ab 25. Mai gelten die Neuerungen im österreichischen Datenschutzgesetz. Um personenbezogener Daten besser zu schützen, schreibt die Novelle strenge Auflagen für ihre Nutzung fest. Damit aber nicht im gleichen Zug wissenschaftlicher Arbeit der Riegel vorgeschoben wird, wollen die Regierungsparteien am Montag im Forschungsausschuss des Parlaments ein Datenschutz-Anpassungsgesetz beschließen, das das neue Forschungsorganisationsgesetz (FOG) beinhaltet.

Geschützte Freiheit

Konkret führt der Gesetzesentwurf an, unter welchen Bedingungen die wissenschaftliche Forschung auf persönliche Informationen zugreifen darf. Das Ziel ist laut Androsch "die Schaffung einer ausgewogenen Balance zwischen bestmöglichem Schutz personenbezogener Daten und klaren Rahmenbedingungen für den Wissenschafts-, Forschungs- und Innovationsstandort Österreich."

Was steht auf dem Spiel? Heute gibt es kein neues Medikament ohne biomedizinische Forschung, die anhand einer Vielzahl von Blut-, Speichel- oder Gewebeproben testet, welches Mittel gegen bestimmte Erkrankungen mit den wenigsten Nebenwirkungen am besten wirkt. In der Onkologie könnten keine personalisierten Medikamente entwickelt werden, wenn die Wirkstoffe nicht an großen Patientengruppen getestet und sowohl die Grundlagen, als auch der Entwicklungsprozess und die Ergebnisse an Labors weltweit vermittelt würden, damit andere Forschungsgruppen darauf aufbauen können. Nur so können ähnliche Patientengruppen in aller Welt gleichermaßen von neuen medizinischen Erkenntnissen profitieren. "Ohne Zugang zu großen Datenbanken wüssten wir auch nicht, wie sich Schwangerschaftsereignisse auf Babys auswirken oder ob Diabetes-Medikamente unter bestimmten Umständen Krebs verursachen können", sagte Michaela Fritz, Vizerektorin für Forschung der Meduni Wien.

Auch Soziologen, Wirtschafts- und Politikforscher hätten ohne die Lockerung ihre Not. Ohne Freigabe von Daten der Österreicherinnen und Österreicher für die Forschung könnten der Arbeitsmarkt nicht analysiert, Lohngefälle nicht verglichen, politische Maßnahmen nicht evaluiert und Fördersysteme nicht auf Effizienz geprüft werden, betonte die anwesenden Experten. Vor allem Registerdaten stehen im Fokus der Diskussion. "Der Deutsche Bundestag etwa gibt seine Registerdaten proaktiv an die Forschung weiter. Wenn wir das nicht auch tun, haben europaweite Studien weniger Daten aus Österreich", warnte Martin Kocher vom Institut für Höhere Studien. Müsste jede Gruppe ihre eigenen Daten einheben, wären die Ergebnisse weniger präzise und die Forschung Sisyphos-Arbeit, meinte er.

Gerhard Schwarz vom Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) betonte, dass es für die Wissenschafter unerheblich sei, wer hinter den Daten stehe: "Ob das Lieschen Müller ist, ist uns wurscht." Wichtig sei nur die Möglichkeit, einzelne Personen und Unternehmen über einen längeren Zeitraum beobachten zu können. "Wenn man evidenzbasierte Wirtschaftspolitik will, muss man Evidenzen haben und dafür braucht man Daten", sagte Schwarz.

Pseudonym statt anonym

Ob auch Patientendaten der elektronischen Gesundheitsakte Elga für die Forschung freigegeben werden sollen, wollte die im Wissenschaftsministerium für Forschung zuständige Sektionschefin Barbara Weitgruber nicht sagen. Sie verwies auf den Forschungsausschuss am Montag. Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) hatte gefordert, den Zugriff von Wissenschaftern auf Elga gesetzlich zu untersagen, so wie das auch beim Strafregister der Fall sein soll.

Bisher ist die Forschung oft auf zusammenfasste Daten der Statistik Austria angewiesen. Der Forderung von Patientenanwalt Gerald Bachinger, auch Gesundheitsdaten aus dem Elga-System nur anonymisiert oder zusammengefasst weiterzugeben, kann Schwarz wenig abgewinnen, da sie dadurch an Informationsgehalt bezüglich der Methodik verlieren würden. "Für viele Forschungszwecke wird das nicht reichen", sagte der Initiator der "Plattform Registerforschung". Er kann sich Pseudonyme oder alphanumerisch verschlüsselte Personenkennzeichen vorstellen.

Möglich sein soll der vereinfachte wissenschaftliche Zugriff auf staatliche Datenbanken ab 2019. Allerdings müsste jedes "Register" erst durch eine Verordnung des Wissenschaftsministeriums freigegeben werden, betonte Weitgruber. Derzeit ist für solche Abfragen eine Genehmigung der Datenschutzbehörde nötig: Diese Prüfung soll nun entfallen.

Wissenschaft und Forschung sind ergebnisoffene Prozesse, in denen neue Erkenntnisse im Dienste der Menschheit gewonnen werden. Laut FOG dürfen die Daten einzig zu diesem Zweck verwendet werden. Ab 2019 sollen Wissenschafter und Forschungsunternehmen im In- und Ausland auf staatliche Datenbanken zugreifen und die dort gespeicherten Informationen auswerten dürfen. Die Akademie der Wissenschaften betrachtet die Öffnungsklausel als "wichtige Maßnahme". Der Komplexitätsforscher Stefan Thurner, "Wissenschafter des Jahres 2017", sieht die Novelle als "gutes, durchdachtes Gesetz, das einen unregulierten Zugang zu personenbezogenen Daten und Wildwuchs eben nicht zulässt".