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Wenn das Becken schwächelt

Von Alexandra Grass

Wissen

Inkontinenz ist nach wie vor ein Tabuthema. Oft leiden Patienten jahrelang.


Wien. Ob nach Schwangerschaften oder im fortschreitenden Alter: Der Beckenboden ist in aller Munde. Ihn zu stärken, scheint ein Gebot der Stunde. Über die Auswirkungen einer geschwächten Bindegewebsmuskulatur will aber kaum jemand sprechen. Harnverlust, Stuhlverlust und Verstopfung sind Tabuthemen. Und zwar derart, dass Betroffene oft jahrelang darunter leiden bevor sie zum Arzt gehen.

Die Aufgabe des Beckenbodens ist die Stütze der Beckenorgane Harnblase, Gebärmutter und Enddarm, erklärt Stefan Riss, Chirurg an der Universitätsklinik Wien, im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Verliert die bindegewebsmuskuläre Platte etwa durch Geburten, Übergewicht oder im Alter an Kräftigung, bleibt ein negativer Effekt auf die Organe nicht aus. Auch Operationen oder andere Therapien wie Bestrahlungen haben oft Einfluss auf diese Körperregion. An Harninkontinenz leiden rund 13 Prozent der Frauen und fünf Prozent der Männer. Der Stuhlverlust trifft im Durchschnitt elf Prozent der Bevölkerung, bei der Verstopfung sind es rund 14 Prozent. Bei allen drei Krankheitsbildern sind vermehrt Frauen die Leidtragenden. Dies ist auch auf hormonelle Verschiebungen zu Beginn der Wechseljahre zurückzuführen.

Meiden sozialer Kontakte

Östrogen ist dafür bekannt, dass es die Stützfunktion des Bindegewebes aufbaut und festigt. Kommt es etwa im Laufe der Menopause zu einem Mangel, verliert auch das Bindegewebe im Beckenboden an Halt. Oft leiden Patienten jahrelang unter den Auswirkungen und gehen vor Scham auch nicht zum Arzt, erklärt der Experte. "Betroffene meiden soziale Kontakte, gehen nicht mehr ins Theater, nicht ins Kino." Doch gibt es Therapiemethoden, die Hilfe bis hin zur Heilung versprechen. In eigenen Beckenbodenzentren arbeiten Gynäkologen, Urologen, physikalische Mediziner, Schmerztherapeuten und Radiologen interdisziplinär zusammen, um Patienten eine maßgeschneiderte Therapie bieten zu können.

Der allererste Schritt liege in der Stärkung der Beckenbodenmuskulatur durch gezieltes Training - mitunter auch begleitet durch Biofeedback, wie Riss betont. Bei Frauen kann auch die Gabe von Östrogen vor allem beim ungewollten Harnverlust Abhilfe schaffen. Über diese und weitere Therapiemethoden bis hin zu operativen Möglichkeiten klärt am 24. Mai auch eine eigene Informationsveranstaltung an der Medizinischen Universität Wien auf. "Der Beckenboden - Alles was Sie wissen sollten!" gibt Betroffenen und Interessierten Einblick in das Tabuthema. In Vorträgen stecken die Experten eine Reihe an Themenfeldern ab.

www.meduniwien.ac.at/beckenbodenzentrum