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Unerwünschte Manneskraft

Von Alexandra Grass

Wissen

Höhere Testosteronspiegel beeinflussen die spätere Gesundheit negativ.


Durham/Wien. Das Sexualhormon Testosteron macht Männer zu richtigen Kerlen. Zumindest wird die Manneskraft üblicherweise mit diesem körpereigenen Botenstoff in Verbindung gebracht. Wie hoch die Konzentration ist, ist von Mensch zu Mensch verschieden. Britische Wissenschafter haben nun festgestellt, dass diese davon abhängt, in welcher Umgebung ein Mann aufgewachsen ist.

Ist ein Bub vermehrt erschwerten Bedingungen ausgesetzt und leidet öfter unter Infektionskrankheiten, so wird er als Erwachsener über einen niedrigen Testosteronspiegel verfügen. Bei Buben, die ihre Kindheit in gesünderer Umgebung verbringen, ist das Gegenteil der Fall, so die Forscher. Die Studie widerspricht der Theorie, dass dies genetisch oder ethnisch beeinflusst wird.

Ein erhöhter Testosteronspiegel hat, entgegen landläufiger Vermutungen, wonach Männer davon nur profitieren könnten, einen gesundheitlich gesehen eher negativen Effekt. Die Betroffenen sind einem höheren Risiko, an Prostatavergrößerung oder Krebs zu erkranken, ausgesetzt. In jegliche Früherkennungsmaßnahme sollte bei der Einschätzung des Risikos daher auch die Umgebung miteinschließen, in welcher der Mann aufgewachsen ist.

Kindheit ausschlaggebend

In der Studie wurden Daten von 359 Männern aus Bangladesh unter die Lupe genommen. Ein Teil von ihnen war in Großbritannien aufgewachsen. Ein anderer hatte durchgängig das Leben in Bangladesh verbracht. Zudem wurde auch zwischen Menschen unterschieden, die als Erwachsene ausgewandert waren, oder jenen, deren Eltern asiatischer Abstammung waren.

Den Resultaten zufolge haben Männer, die in Großbritannien aufgewachsen sind, einen höheren Testosteronspiegel als jene Männer, die sich zur relevanten Zeit in Bangladesh aufgehalten haben. Die Unterschiede sind auf einen konträren Energiehaushalt zurückzuführen, erklären die Forscher in der Publikation.

So könnten sich höhere Konzentrationen dann bilden, wenn der Organismus mit weniger Herausforderungen konfrontiert ist. In Umgebungen, in denen Menschen Krankheiten und Nahrungsunterversorgung ausgesetzt sind, geht der dadurch ausgelöste höhere Energieverbrauch auf Kosten des Testosteron.

Die Nebeneffekte

Die Nebeneffekte des Hormons sind ein negativer Einfluss auf die Gesundheit ein beschleunigter Alterungsprozess, heißt es in der Studie. Besonders hohe Konzentrationen bedeuten eine vermehrte Muskelmasse, ein höheres Risiko für Erkrankungen der Prostata sowie eine vermehrte Aggressionsbereitschaft. Sehr niedrige Testosteronspiegel zeigen sich in einem Mangel an Energie, einem Verlust der Libido und in erektiler Dysfunktion.

"Sehr hohe, aber auch sehr geringe Konzentrationen an Testosteron können die männliche Gesundheit beeinflussen", betont daher Gillian Bentley von der Durham University, im Fachblatt "Nature Ecology and Evolution". "Es könnte von Bedeutung sein, mehr über die Umstände der Kindheit in Erfahrung zu bringen, um ein besseres Bild von möglichen Risikofaktoren zu bekommen."

Viele Aspekte bezüglich der männlichen Fruchtbarkeit können sich während der Pubertät bis zu einem Alter von 19 Jahren noch verändern, so die Forscher. Die Studie lässt vermuten, dass die Konzentration an Testosteron sich allerdings im Erwachsenenalter durch äußere Gegebenheiten nicht mehr beeinflussen lässt.