Stockholm/Wien. Mit ihren Entdeckungen über Kommunikationspfade zwischen Krebszellen und menschlichen Abwehrzellen haben der US-Forscher James P. Allison und der Japaner Tasuku Honjo den Weg für eine revolutionäre Entwicklung in der Krebstherapie geebnet. Die sogenannte Immuntherapie stellt heute die prägende vierte Säule in der Behandlung von Tumoren dar. Ausgeklügelte Bremsmanöver sind ihr Prinzip. Für diesen Durchbruch wurden die beiden Immunologen am Montag vom Komitee des Stockholmer Karolinska Instituts mit dem Nobelpreis für Physiologie und Medizin geehrt.
"Krebs tötet Millionen Menschen jedes Jahr und ist eine der größten globalen Gesundheitsherausforderungen", heißt es in der Mitteilung des Nobelpreiskomitees. Die Erkrankung entsteht dann, wenn sich abnormale Zellen unkontrolliert teilen und sich diese in gesunden Organen oder in gesundem Gewebe breitmachen. Bisher standen in der Therapie drei wichtige Säulen zur Verfügung: die Operation, die Bestrahlung sowie Chemo- oder zielgerichtete Therapien.
Proteine als Hemmschuh
Allison und Honjo haben neue Möglichkeiten entdeckt, um diese gefürchtete Erkrankung auszubremsen. Im Mittelpunkt stehen dabei Proteine, die sich auf der Oberfläche von Abwehrzellen befinden. Diese Eiweißstoffe kommunizieren mit anderen Zellen und sorgen dafür, dass die Immunzellen aktiv oder ruhend sind. Allison fand das Protein namens CTLA-4, Honjo identifizierte das sogenannte PD-1 sowie PD-L1.
Die Stoffe wirken auf die T-Lymphozyten - bestimmte Abwehrzellen - wie ein Hemmschuh. Spezielle Antikörper, wie sie seit wenigen Jahren der Medizin zur Verfügung stehen, lösen diese Bremse und sorgen dafür, dass das körpereigene Immunsystem die Tumorzellen angreifen kann. Das Nobelpreiskomitee spricht von einem "Meilenstein im Kampf gegen den Krebs".
Unmittelbar nachdem die ersten Studien die Effekte von CTLA-4 und PD-1 aufgezeigt hatten, war Tempo in die Entwicklung der neuen Methode gekommen. "Heute wissen wir, dass die Therapie, oft auch Immuncheckpoint-Blockade genannt, eine fundamentale Wandlung für manche Patientengruppen mit fortgeschrittenem Krebs bedeutete - hin zu einem längeren Überleben."
Die Nebenwirkungen der Behandlung können sehr ernsthaft, sogar lebensbedrohend sein, denn das Abwehrsystem wird dermaßen überaktiviert, dass es zu Autoimmunreaktionen kommen kann. Bei Autoimmunerkrankungen gehen die Abwehrzellen auch gegen gesunde Zellen vor. Für gewöhnlich seien diese Nebeneffekte allerdings unter Kontrolle zu bringen, heißt es seitens der Medizin. Auch wird weiter daran geforscht, diese ungewollten Mechanismen auszuschalten.