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Der Mensch in Bewegung

Von Alexandra Grass

Wissen
Mit Schwung im Leben lässt es sich leichter leben.
© StockAdobe/contrastwerkstatt

Musik, Tanz und Schauspiel könnten die Gesundheit in Schwung halten.


Wien. Alle Funktionen des menschlichen Organismus sind einer Rhythmik unterworfen. Das Herz pumpt, mit der Atmung nimmt der Körper Sauerstoff auf, der Darm transportiert die Nährstoffe in den Körper. Dieses großteils unwillkürlich arbeitende System können wir aber auch bewusst positiv beeinflussen. In der Therapie dienen Musik, Tanz und Schauspiel als Grundpfeiler, die zur Gesunderhaltung dieses rhythmischen Gesamtsystems Mensch von besonderer Bedeutung ist.

Zu allen Zeiten und in allen Kulturen hat der Mensch diese innere Rhythmik in den Mittelpunkt vieler seiner Taten gesetzt. Man denke an die rituellen Handlungen, "bei denen der Mensch immer als ein singendes, klingendes, tanzendes, sich rhythmisch bewegendes Wesen in Erscheinung getreten ist", betonte die Allgemeinmedizinerin, Neurologin und Sängerin Gertraud Berka-Schmid im Vorfeld des Kongresses "Gesundheit und Kunst", der am 12. und 13. Oktober von der Wiener Internationalen Akademie für Ganzheitsmedizin (Gamed) veranstaltet wird. Dabei ist es das Ziel, in Harmonie zu kommen und damit eben auch Gesundheit zu erhalten, aber auch Selbstheilungskräfte anzukurbeln.

Natürliche Musikalität

Heute ist die Bedeutung, die Rhythmus in unserem Leben hat, nahezu in Vergessenheit geraten. Dabei wäre es wichtig, die eigenen biologischen Vorgänge regelmäßig in Harmonie zu bringen, betont die Medizinerin. Die Möglichkeiten dafür liegen eben in der Musik, im Tanz, aber auch im Schauspiel. Wesentlich dabei sind die Bewegung und eine damit verbundene Musikalität.

Wer jetzt denkt, "ich bin nicht musikalisch", der irrt. Denn eine Grundmusikalität bringt jeder von Natur aus mit. Sie entwickelt sich nämlich schon im Mutterleib. Denn Puls, Atmung, Stimme und Schritte nimmt das Heranwachsende schon in der Gebärmutter über die Haut wahr. Die Vibration des Fruchtwassers bewirken erste Kreisläufe im Gehirn, die Musikalität prägen und den Menschen zum Lernen anregen, betonte Angelika Hauser-Dellefant, Leiterin des Instituts für Musik und Bewegungspädagogik an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien.

So wie das Kind durch Bewegung lernt, zeigen sich auch bei Senioren mitunter massive Veränderungen, wenn sie mit Musik und Rhythmik in Kontakt kommen. Vor allem durch Livemusik würden sich vom Alter und von Krankheit gezeichnete Menschen wieder aufrichten. Mit der Rhythmik verbessert sich bei ihnen nicht nur die Motorik, sie sind wieder emotional beteiligt und finden auch manchmal wieder zur Sprache zurück, so die Expertin.

"Wir wissen aus der Molekularbiologie, dass dabei eigene Reparaturmechanismen stattfinden", erklärte auch Klaus Laczika, Facharzt für Innere Medizin und Intensivmedizin am AKH Wien. Entspannung sei mit Medikamenten gar nicht erreichbar, daher komme der Musik, der Kunst, aber auch der Hypnose im Zur-Ruhe-Kommen eine große Bedeutung zu. Mit Musik sei es etwa möglich, den Blutdruck wieder zu normalisieren, die Darmtätigkeit anzuregen und damit die innere Uhr des Menschen wieder zu takten, skizzierte der Mediziner.

Sowohl im schulmedizinisch gesteuerten Intensivmedizinbereich als auch im Palliativbereich, wo die Medizin nur maximal zu zehn Prozent eine Rolle spielt, sei die Kunsttherapie - und da besonders die Musiktherapie - ein wichtiges Element. Mit diesen kreativen Behandlungsformen könne man am Patienten ganzheitlich ansetzen.

Defizite bei der Jugend

Die Theaterpädagogin Ulrike Hanitzsch von der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien betonte die Rolle des Schauspiels für die heutige Gesellschaft. Stress, Überforderung und Langeweile würden die heutige Jugend prägen. Sie "wollen animiert werden und konsumieren ohne Ende", so die Expertin. Eindeutige Defizite gebe es bei der Persönlichkeitsbildung, der Kontaktfähigkeit, Fantasie, Offenheit, Bewegung, Sprache, Präsenz und beim Humor. Diese Kompetenzen seien gerade in einer Zeit, wo ein großer Teil der Arbeit von Maschinen erledigt wird, besonders wichtig.

Die bildhafte Sprache und das Schauspiel machen es möglich, den großen Zusammenhang besser verstehen und einordnen zu können sowie Bezüge herzustellen. Das alles hilft sowohl bei zwischenmenschlichen Beziehungen, der Bewältigung von Konflikten, der Entwicklung von Persönlichkeit als auch zur Erhaltung der Gesundheit.

Beim Gamed-Kongress werden die Disziplinen Therapie, Kunst und Pädagogik im Rahmen von Vorträgen und Workshops vermittelt und erlebbar gemacht. Die Akademie feiert heuer ihr 30-jähriges Jubiläum. Ziel ist, wirkungsvolle und seriöse komplementärmedizinische Methoden zu fördern, betonte Gamed-Präsident Wolfgang Marktl.