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Sprache zwischen Mensch und Tier

Von Kerstin Viering

Wissen
Bonobo Kanzi verständigt sich mit Symbolen.
© Wikipedia/William H. Calvin, PhD

In vielen Weihnachtslegenden sprechen Tiere. In der Realität klappt die Verständigung tatsächlich schon gut.


Berlin. In der Heiligen Nacht, so heißt es, können die Tiere sprechen. Doch ist eine solche Kommunikation auch außerhalb von alten Legenden möglich? Zumindest für einige Arten können Wissenschafter diese Frage inzwischen mit "Ja" beantworten. Mit viel Geduld und Erfahrung kann es durchaus gelingen, sich etwa mit Hunden, Papageien, Menschenaffen oder Delfinen auszutauschen. Mitunter sogar auf einem recht hohen Niveau.

Hunde haben sich zu wahren Experten für menschliche Kommunikation entwickelt. Schon als Welpen begreifen sie, dass sie in ihren Korb gehen oder ein Spielzeug holen sollen, wenn man mit dem Finger deutet. Wölfe dagegen können mit solchen Zeigegesten weniger anfangen, auch Schimpansen haben damit ihre Schwierigkeiten.

Ein gutes Ohr für Stimmen

Zudem können Hunde auch die Mimik ihres zweibeinigen Gegenübers interpretieren und haben ein gutes Ohr für Stimmen. Das zeigte sich in einem Versuch des Teams um Marcello Siniscalchi von der Uni Bari. Dieses hat Hunde mit Menschen konfrontiert, die vor Glück lachten oder vor Ekel würgten, vor Angst schrien oder vor Trauer schluchzten. Und das können Hunde durchaus unterscheiden und interpretieren.

Die Beobachtungen zeigen, dass die Tiere negativ besetzte Lautäußerungen in der rechten Gehirnhälfte verarbeiten, positiv besetzte in der linken. Wenn sie Ohrenzeugen von Trauer werden, reagieren sie deutlich gestresster, als wenn ihr Gegenüber nur seinem Ekel Ausdruck verleiht. Die Verständigung klappt nicht nur auf emotionaler Ebene. Hunde begreifen auch die Bedeutung von Worten. So haben Forscher beobachtet, dass ein Lob bei Hunden das Belohnungszentrum im Gehirn aktiviert. Aber nur dann, wenn Tonfall und Inhalt zusammenpassen.

Ähnlich wie bei kleinen Kindern ist es also auch bei Hunden nicht so einfach, sie verbal aufs Glatteis zu führen. Und es gibt noch mehr Parallelen. Viele Hundebesitzer neigen dazu, mit ihren Tieren in einer speziellen Art zu reden. Ähnlich wie die Baby-Sprache, besteht auch diese "Hunde-Sprache" aus einfachen, kurzen Sätzen, die oft mit übertrieben hoher Stimme vorgetragen werden.

Die Babysprache hilft beim Spracherwerb und fördert die Bindung zwischen Kleinkind und Erwachsenem, so Katie Slocombe von der University of York in Großbritannien. "Wir wollten deshalb herausfinden, ob Art und Inhalt der Kommunikation auch das soziale Band zwischen Tieren und Menschen beeinflussen." Das scheint tatsächlich so zu sein. Die Hundesprache helfe, die Aufmerksamkeit des Vierbeiners zu wecken und eine soziale Bindung zu ihm aufzubauen, so die Forscher.

Schon lange wird auch versucht, Menschenaffen in Gespräche zu verwickeln. In etlichen Fällen ist es gelungen, zwischen Menschen und ihrer nächsten Verwandtschaft erstaunlich komplexe Inhalte zu vermitteln. So haben Wissenschafter mehreren Schimpansen und Gorillas die Grundzüge der amerikanischen Gebärdensprache ASL beigebracht, in der sich manche Tiere auch durchaus geschickt ausdrücken können.

Fragen und Antworten

Eine andere Kommunikationsform beherrscht der Bonobo Kanzi. Am US-Sprachforschungszentrum der Georgia State University hat ein Team um Sue Savage-Rumbaugh ihm beigebracht, auf einer Computertastatur Symbole zu drücken. Diese stehen für bestimmte Worte, die dann von einer Computerstimme ausgesprochen werden. Auf diese Weise kann man Kanzi komplexe Fragen und Aufgaben stellen, die er in den meisten Fällen korrekt beantwortet oder löst.

Als er etwa "den Hund die Schlange beißen lassen" sollte, holte er sich die Spielzeugtiere, steckte dem Hund das Reptil ins Maul und drückte ihm die Kiefer zusammen. Möglicherweise kann Kanzi manche Symbole sogar im übertragenen Sinn benutzen. Einen perfekt sauberen Artgenossen, der ihm offenbar unsympathisch war, bezeichnete er mit den Symbolen für "Affe" und "dreckig".

Jedoch ist bisher kein Menschenaffe auf die Idee gekommen, dass er auch selbst Fragen stellen könnte. In dieser Hinsicht hatte ein Graupapagei namens Alex den Schnabel vorn. Er konnte nicht nur Farben, Formen und Dinge benennen. Eines Tages musterte er sein Spiegelbild und erkundigte sich: "Welche Farbe?" Die Antwort lernte er, nachdem er ein paar Mal "grau" zu hören bekommen hatte. Ein Gespräch mit Papageien hat einen Vorteil: Es kann in menschlicher Sprache geführt werden.

Da machen es einem Delfine schwerer. Sie haben zwar viele Laute auf Lager, was sie bedeuten, ist aber schwer herauszufinden. Denise Herzing von der Florida Atlantic University versucht seit langem, diesen Code zu knacken. Sie und ihre Kollegen beobachten Zügeldelfine vor den Bahamas und versuchen, deren Töne mit Verhaltensweisen in Zusammenhang zu bringen. Sie wissen, dass die Tiere für jeden Artgenossen einen individuellen "Signatur-Pfiff" verwenden. Ihn quasi per Namen nennen.

Kommunikationstalent Delfin

Das Kommunikationstalent, die Intelligenz und die Neugier der Delfine haben die Forscher auf die Idee gebracht, auch ihnen eine Verständigung zu versuchen. Zusammen mit Computerspezialisten haben sie einen speziellen Unterwassercomputer namens CHAT (Cetacean Hearing and Technology) entwickelt. In dieses Gerät haben sie künstliche Pfiffe eingespeist, die für verschiedene Spielzeuge wie etwa ein Tuch stehen. Unter Wasser wird dem Delfin das Signal für Tuch vermittelt, das er daraufhin auch erhält. Imitiert ein Delfin dann den Pfiff, übersetzt der Computer diesen in menschliche Sprache und das Tier erhält das Tuch. So lernen sie, dass sie mit einem bestimmten Signal ein bestimmtes Spielzeug anfordern können.

Oder auch einen bestimmten Forscher, der mit ihnen Kontakt aufnehmen soll. Denn CHAT hat auch einen speziellen "Denise"-Pfiff gespeichert - genau wie die von Artgenossen gepfiffenen natürlichen "Namen". Mit deren Hilfe können die Forscher die Tiere persönlich begrüßen, wie es in Delfinkreisen üblich ist.

Langfristig hoffen sie, auch einige weitere echte Delfinlaute in den Computer einspeisen zu können. Dazu müssten sie aber erst ganz sicher sein, was diese Signale genau bedeuten.