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"Austronaut" Franz Viehböck: Leidenschaft für die Raumfahrt

Von Eva Stanzl

Wissen

50 Jahre nach der ersten Landung blickt die Raumfahrt wieder zum Mond.


"Wiener Zeitung": Haben Sie die Mondlandung am 21. Juli 1969 live im Fernsehen mitverfolgt?

Franz Viehböck: Ich habe die Mondlandung im Fernsehen mitverfolgt und sie war für mich ein besonderes Erlebnis. Damals hatte man noch keine Fernseher in verschiedenen Größen in Farbe mit hunderten Programmen. Als Professor an der Technischen Universität Wien konnte mein Vater sich einen Schwarz-Weiß-Fernseher für die Mondlandung ausborgen. Ich kann mich erinnern, wie Armstrong seinen Fuß auf den Mond setzte, und auch, dass es in der Nacht lange gedauert hat - ich glaube, es waren vier Stunden - zwischen Landung und Ausstieg.

Hat sie die Leidenschaft für die Raumfahrt entfacht?

Das hat sie, viele waren davon fasziniert. Österreich war jedoch damals ein Land, das mit Raumfahrt nichts zu tun hatte, und ich war Realist genug, um zu wissen, dass das "Berufswunsch: Astronaut" keine Sache kleiner Nationen war. Gottseidank hat sich in Österreich aber dann eine Weltraumszene entwickelt und ich habe mich beworben.

Sie wurden als einer von 200 Bewerbern ausgewählt, 1991 zur russischen Raumstation MIR zu fliegen. Warum glauben Sie, fiel die Wahl gerade auf Sie?

Generell muss man physisch und psychisch gesund sein. Und man braucht Glück. Zum Rest kann ich nur Vermutungen anstellen. Man wird ja nicht ausgewählt, nur weil man schneller läuft, mehr Gewicht stemmt oder sich die Dinge besser merkt. Sondern eine Vielzahl von Beobachtungen, Daten und Fakten wurden zu einem Gesamtbild zusammengefügt, anhand dessen eine Kommission entschieden hat, dass ich der geeignete Kandidat wäre. Psychologen und Ärzte haben uns zwei Jahre lang auf Herz und Nieren geprüft und auch berücksichtigt, wie man in der Öffentlichkeit auftritt und sich seine Laufbahn danach vorstellt.

Im Rahmen von Austromir haben Sie die Auswirkungen der Schwerelosigkeit auf die Gesundheit untersucht. Heute macht die Menschheit Pläne zur Besiedelung von Mond und Mars. Ist das gesund?

Es gibt mehrere Einflussgrößen im Weltall. Im erdnahen Raum auf der Internationalen Raumstation ISS ist die primäre Veränderung die Schwerelosigkeit. Das ist ein tolles Gefühl, aber für den Körper eine Belastung. Unmittelbare Effekte sind Übelkeit, weil die Orientierung verschwindet, oder dass einem Körperflüssigkeiten zu Kopf steigen und das Gesicht anschwillt. Weiter in Richtung Mond steigt die Strahlung, weiter noch in Richtung Mars noch mehr. Auf einer Mond- oder Marsbasis gibt es jedoch keine Schwerelosigkeit. Die Mond-Anziehungskraft etwa ist ein Sechstel der Erdanziehungskraft, somit ist der Effekt abgeschwächt und verträglicher.

Wäre es nicht einfacher, das Erdklima zu schützen, als eine lebensfeindliche Umgebung ohne Sauerstoff oder Wasser im All mit enormem Aufwand urbar zu machen?

Es ist inhärent im Menschen, nach Neuem zu streben. Derzeit etwa ist unter Federführung der Amerikaner die Basis "Lunar Gateway" geplant, die den Mond umkreist, um von dort aus auf dem Trabanten zu landen. Studenten der TU Wien planen einen Lander für die Mission. Der Weltraum ist ein super Ort, um zu ergründen, woher wir kommen und wie alles entstanden ist. Natürlich macht es keinen Sinn, den Mars zu kolonisieren, nur weil wir auf unserem Planeten nicht mehr leben können, da sollten wir besser auf ihn gut aufpassen. Die Raumfahrt ermöglicht uns aber, zu messen, wie die Erde sich verändert. Sie reicht von Materialwissenschaften über Medizin bis zur Astrophysik und man soll alles davon machen. Ob man aber zuerst zum Mond fliegt und oder zum Mars, ist eine Frage dessen, was am meisten Sinn ergibt und ob man es kommerziell machen will oder wissenschaftlich.

Würden Sie eine Reise zum Mond unternehmen?

Wenn ich körperlich dazu in der Lage bin und sich eine Gelegenheit ergibt, sofort.

Als Tourist oder als Astronaut?

Es müsste einen tieferen Sinn für mich haben. Als Weltraumtourist werde ich es mir nicht leisten können und bis wir so weit sind, wird es dauern. Meine Reise zum Mond wäre also mit einer wissenschaftlichen Tätigkeit verbunden.

Zunächst treten Sie ab 2021 als Vorstandsvorsitzender der Berndorf AG an. Was verbindet die Raumfahrt mit einem Stahlkonzern?

In der Raumfahrt wird viel Stahl verwendet. Das Wissen, das ich mir in der Raumfahrt angeeignet habe, kann ich anwenden. Alle Bereiche von Berndorf haben mit Technologie zu tun.

Am 20. November 1991 wurde Ihnen der Orden "Völker Freundschaft" vom sowjetischen Staatspräsidenten Mikhail Gorbachev verliehen. Es war die letzte derartige Amtshandlung vor dem Zerfall der Sowjetunion. Heute tun sich in der Politik neue Polaritäten auf. Welchen Beitrag leistet die Raumfahrt zur Völkerverständigung?

Schon zu Sowjet-Zeiten flogen bei Austromir Franzosen, Deutsche und Österreicher. Es gab Kooperationen, die hilfreich waren, um den Kalten Krieg zu erwärmen. Der Schlager war nach seinem Ende, dass plötzlich russische und amerikanische Ingenieure, die kurz davor noch Waffen gegeneinander entwickelt hatten, an einem Tisch saßen und überlegten, wie sie einen Nasa-Shuttle an der russischen Raumstation MIR andocken könnten. Es ist eine politische Aufgabe der Raumfahrt, die Nationen zusammenzubringen. Dass man die Chinesen nicht eingeladen hat, bei der ISS mitzumachen, scheitert an politischen Spannungen, aber China selbst ist offen und lädt uns zu Projekten ein.

Ein Kleinplanet ist nach Ihnen benannt. Wo befindet er sich?

Irgendwo da oben, ich weiß die Koordinaten nicht auswendig. Aber ich habe ein Zertifikat bekommen, das eine "kosmische Grundbucheintragung" ist. Wenn Sie wollen, können Sie jederzeit hinfahren. Sie brauchen keinen Pass und kein Visum, jeder ist willkommen.

Franz Viehböck

geboren am 24.8.1960 in Wien, studierte Elektrotechnik an der Technischen Universität Wien. Er war der erste österreichische Kosmonaut. 1991 flog er zur russischen Raumstation MIR. Die Österreicher nennen ihn liebevoll "Austronaut".