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Das Erfolgsrezept invasiver Arten

Von Eva Stanzl

Wissen
Der Rotohrbülbül ist im tropischen Asien zu Hause. Vom Menschen wurde er nach Australien, Mauritius, Spanien, Florida und Hawaii eingeschleppt.
© University of Illinois/Jeferson Vizentin-Bugoni

In manchen Wäldern Hawaiis wächst keine heimische Pflanze, da neue sich so schnell integrieren.


Honolulu/Wien. Auf der Pazifik-Insel Oahu, die zum Archipel Hawaii gehört, gibt es tropische Wälder, in denen keine heimische Pflanze mehr wächst. Auch die Vögel, die sich einst von den Inselfrüchten ernährten und diese auch wieder verteilten, sind fast verschwunden. Statt ihrer erfreut sich eine Gesellschaft von Neuankömmlingen des Inseldaseins.

Ein Forschungsteam berichtet im Fachjournal "Science" darüber, wie es eingeschleppten Pflanzen und Vögeln gelingt, das System zu übernehmen. Offenbar gibt es ein universelles Erfolgsrezept. Die neuen Arten gehen nämlich genau so vor wie die Mitglieder von angestammten Ökosystemen.

Mit seinen unterschiedlichen Lebensräumen ist Hawaii ein Hotspot der endemischen Artenvielfalt. Die Geschichte der hawaiianischen Ökosysteme ist jedoch auch eine von ständigen Angriffen exotischer Eindringlinge - also von eingeschleppten Schädlingen wie etwa Ratten, Haustieren wie Schweinen und Ziegen, sowie Pflanzen wie Zuckerrohr oder Kokospalmen. Insbesondere in den vergangenen 120 Jahren konnten invasive Fressfeinde auf der Inselgruppe Fuß fassen. Heute gibt es in manchen Regionen zwar immer noch eine enorme Artenvielfalt, andere Gebiete sind jedoch Hotspots des Artensterbens und der Invasion. In den vergangenen 700 Jahren sind 77 Vogelarten aus dem hawaiianischen Archipel verschwunden, das sind 15 Prozent der weltweit ausgestorbenen Vögel. Wie sich die Neuen durchsetzen, untersuchten Jinelle Sperry und Ihre Kollegen vom Department für Umweltwissenschaften der Universität Illinois in Urbana.

Vögel sind die Verteiler

Das Forschungsteam erforschte die Speisepläne der Vögel auf Oahu und verglich diese mit Netzwerk-Analysen zu den Interaktionen zwischen Flügelträgern und Pflanzen. Dabei zeigte sich, dass die zugewanderten Vögel unerwartet schnell komplexe Interaktionen mit Pflanzen entwickeln, die ebenfalls nicht von der Insel stammen. Als die Forscher ihre Ergebnisse aus Oahu mit anderen Ökosystemen verglichen, die vorwiegend aus heimischen Arten bestehen, fanden sie ähnliche Fress- und Verteilungsmuster.

Die gefiederten Neuankömmlinge in Oahu schnabulieren sich nicht etwa durch irgendwelche unbekannte Stauden, nur weil sie neu sind. Sondern sie wählen bestimmte Pflanzen ganz gezielt aus. "Bisher waren Biologen davon ausgegangen, dass sich die Spezialisierung nur dann ausprägt, wenn verschiedene Arten über lange Zeit im selben Ökosystem evolvieren. Nun stellen wir fest, dass Spezialisierung auch zwischen Arten stattfindet, die noch nicht einmal 100 Jahre einen Lebensraum teilen", wird Sperry in einer Aussendung ihrer Universität zitiert.

Zum Test simulierten die Forschenden das Aussterben einiger Pflanzenarten sowohl für die neuen Gesellschaften in Oahu als auch für angestammte Ökosysteme aus anderen Teilen der Erde. Auch diesmal hatte Mutter Natur Überraschungen bereit. Mit bestimmten Pflanzen verschwanden bestimmte Vögel, und zwar in beiden Gruppen gleich schnell. "Das bedeutet, dass neue Netzwerke auf Hawaii ebenso stabil sind wie alteingesessene", erklärt Erstautor Jeferson Vizentin-Bugoni.

Invasive Arten integrieren sich somit schnell. Sie füllen Lücken und erneuern das Ökosystem. Eine gute Seite des Biodiversitätsverlusts sehen die Forscher dennoch nicht. In den untersuchten Wäldern Oahus haben sie in den Fäkalien von 3000 Vögeln nämlich keinen einzigen Nachweis gefunden, dass die wenigen verbliebenen endemischen Federnträger auch endemische Baumfrüchte vertilgt hätten. Stattdessen halfen die alteingesessenen Baumbewohner fleißig mit, durch Fressen und Ausscheiden eingeschleppte Pflanzenarten zu verbreiten. Ein ohnehin schwierig zu lösendens Problem wird somit verstärkt.

Flexiblerweise fraßen die gleichen Vögel verschiedene Pflanzen in unterschiedlichen Teilen der Insel. "Das heißt, sie könnten sich dazu bringen lassen, nur heimische Früchte zu fressen, womit sie dann wieder die Inselsamen verteilen würden", stellt Vizentin-Bugoni in Aussicht.