Zum Hauptinhalt springen

Die Rückkehr der Wollhaarmammuts

Von Alexandra Grass

Wissen

Forscher wollen die ausgestorbenen Tiere wieder zum Leben erwecken. Tierschutz und Klimaschutz zählen zu den Hintergründen.


Wien. Wollhaarmammuts lebten vor zehntausenden Jahren. Forscher wollen die ausgestorbenen Tiere wieder zum Leben erwecken - beziehungsweise Mischwesen aus Mammut und Elefant. Die Chancen dafür stehen nicht schlecht, denn die in der sibirischen Steppe im Permafrostboden entdeckte DNA ist gut erhalten. Gekreuzt mit dem asiatischen Elefanten, könnte ein Tier geklont werden, das nicht nur seine ursprüngliche Heimat wieder besiedelt, sondern dort auch gute Verdienste im Sinne des Klimaschutzes erbringen könnte. Die Genetikerin Eriona Hysolli von der Harvard Medical School ist eine jener Forscherinnen, die sich der Rückkehr des Mammuts widmen. Im Rahmen des diesjährigen Fifteen Seconds Festival (6. bis 7. Juni in Graz), das Denkern und Machern aus den Bereichen Wirtschaft, Wissenschaft, Mobilität und Technologie eine Plattform bietet, ist sie eine von rund 300 Vortragenden. Im Interview mit der "Wiener Zeitung" spricht sie über ihre Arbeit und die Hintergründe.

"Wiener Zeitung":Geklonte Wollhaarmammuts: Das klingt sehr nach "Jurassic Park". Keine ausgestorbene Spezies wurde jemals wieder zum Leben erweckt. Ist das Vorhaben realistisch?

Eriona Hysolli: Diese Anspielung bekommen wir oft zu hören. Doch wenn ein Lebensraum auf der Erde existiert, der für Wollhaarmammuts geschaffen ist - wie in Sibirien der Fall -, glauben wir, dass es einen Unterschied macht. Zudem ist die Zeitskala eine andere. Das Jura, die Blütezeit der Dinosaurier, liegt 200 Millionen Jahre zurück. Das Pleistozän, die Epoche der Mammuts, nur zwei Millionen Jahre. Restpopulationen gab es sogar bis ins mittlere Holozän, um etwa 1800 vor Christus. Es existiert heute also ein sehr ähnliches Ökosystem, in dem sich die Tiere frei bewegen könnten. Ja, wir glauben, es ist Realität. Zudem helfen uns moderne genetische Werkzeuge dabei. Es ist möglich, die Veränderungen herbeizuführen, die nötig sind, um in naher Zukunft eine komplett neue Spezies zum Leben erwecken zu können.

Ist die Forschung Spielerei, oder steckt mehr dahinter?

Elefanten sind gefährdet, da sie immer mehr Lebensraum verlieren, vom Menschen gejagt werden und bis zu 80 Prozent der Jungtiere dem Elephant-Endotheliotropic-Herpesvirus zum Opfer fallen. Um die noch bestehenden Populationen der beliebten, ikonenhaften Tiere zu schützen, sie an ein neues Ökosystem anzupassen und sie resistent gegen das bedrohliche Virus zu machen, ist die Genom-Editierung sehr hilfreich. Da steckt nichts Spielerisches dahinter. Wir hoffen auch, dass die Umsetzung unseres Ziels dem heutigen Aussterben von Spezies entgegenwirken kann. Wir müssen aber auch die ethischen Fragen diskutieren, Pro und Contra gegenüberstellen.

Vor welchen Herausforderungen stehen Sie in Ihrer Forschung?

Aktuell gibt es noch Nachteile der Technologie - nämlich die Schwierigkeit, Veränderungen im Erbgut zeitgleich durchzuführen. Das Wollhaarmammut und sein naher Verwandter, der asiatische Elefant, unterscheiden sich in 0,4 Prozent der 3,1 Milliarden Basenpaare. Das sind immerhin mehrere Millionen Unterschiede. Unser Labor spezialisiert sich auf ein paar Erbgutteile, die wir als die wichtigsten sehen, um Elefanten jene Fähigkeiten zu ermöglichen, sich als Hybrid behaupten zu können.

Ich habe gelesen, dass das Vorgehen im Kampf gegen den Klimawandel von Bedeutung ist. Welcher Zusammenhang verbirgt sich da?

Es handelt sich um eine Idee des russischen Forschers Sergey Zimov mit seinem Sohn Nikita, die gemeinsam einen Pleistozän-Park in Sibirien schaffen. Es ist ein wissenschaftlich begleitetes ökologisches Experiment. Auf 160 Quadratkilometern Fläche soll eine typische Landschaft des Pleistozäns wiederentstehen. Die Grundlage ist Permafrost. Es wird geschätzt, dass sich in dem Boden 1400 Tonnen Kohlenstoff befinden. Das ist etwa gleich viel, wie der Mensch in den Jahren von 1751 bis 2014 über Autoabgase in die Atmosphäre eingebracht hat. Die Mammuts könnten die Treibhausgasfreisetzung reduzieren. Indem sie Schnee und Eis niedertrampeln, gelangt die Kälte tiefer in den Boden. Ein Auftauen wird damit verzögert. Bei dem Projekt handelt es sich um einen möglichen Ansatz, dessen Umsetzung allerdings noch in weiter Ferne liegt. Wir brauchen dringend Maßnahmen in vielen Richtungen. Vor allem auch solche, die wesentlich rascher umsetzbar sind.

Warum gerade das Wollhaarmammut? Könnten es nicht auch nur Elefanten sein?

Elefanten sind ja noch hier. Sie müssen allerdings vor dem Menschen und vor Krankheiten geschützt werden. Im schlimmsten Szenario aber auch aus Material geklont, das wir bereits gesammelt haben und weiterhin sammeln. Zudem können sie im sibirischen Klima nicht leben. Jetzt haben wir allerdings die technischen Möglichkeiten, entweder eine verloren gegangene Spezies wiederauferstehen zu lassen oder einen Hybrid zu schaffen, der für ein neueres Ökosystem und für den Kampf gegen Krankheiten gut ausgestattet ist. Zudem haben wir, konserviert im Permafrostboden, genetisch unterschiedliche Tiere gefunden - gerade genug, um auch eine gewisse Diversität in der Population herzustellen. Bei vielen anderen ausgestorbenen Arten haben wir keinen so großen Zugriff auf Überreste.

Es handelt sich um sehr alte DNA. Wie lässt sich diese nutzen?

Wir danken dem Permafrost dafür. Wollhaarmammuts zählen zu den am besten konservierten Tieren. Das hat uns die Sequenzierung ihres Erbguts ermöglicht. Sie sind quer durch Sibirien und in der Arktis zu finden. Wir haben daher viel Information über Individuen aus verschiedenen Perioden. Unser Labor ist auf synthetische Biologie (Dabei werden biologische Systeme erzeugt, die in der Natur nicht vorkommen - Systeme mit neuen Eigenschaften, Anm.) spezialisiert. So wird es möglich, das Elefanten-Genom in ein Mammut-Genom zu verwandeln.

Was bedeutet die Genschere Crispr/Cas9 für Ihre Forschung? Hat es Ihre Arbeit erleichtert?

Das hat es absolut. Und die neueren Versionen dieser Werkzeuge werden permanent weiterentwickelt - auch bei uns. Um all die erwünschten Veränderungen implementieren zu können, sind aber noch weitere Editier-Werkzeuge nötig. Auch die DNA-Synthese ist von unschätzbarem Wert. DNA-Synthese-Technologien (dabei werden Erbgutteile außerhalb einer Zelle in Kopien erzeugt, Anm.) haben nicht so viel Presse wie die Genschere, sind aber für die synthetische Biologie extrem wichtig.

Was sind die nächsten Schritte?

Die nächste Herausforderung ist, die editierten Zellen zu klonen und damit ein vollständiges Tier zu schaffen. Induzierte pluripotente Stammzellen (IPS-Zellen werden im Labor aus gewöhnlichen Gewebezellen hergestellt und gleichen embryonalen Stammzellen, Anm.) haben die Stammzellforschung revolutioniert. Sie fehlen uns aber beim Elefanten. Zudem wurde ein Klonen wie beim Schaf Dolly bei Elefanten noch nie versucht. Außerdem gibt es viele ethische und technische Hürden. Ich arbeite derzeit daran, IPS-Zellen aus Elefanten herzustellen.

Wann könnte das Märchen wahr werden?

Da es ein Projekt ist, in das nicht nur Meinungen aus unserem Labor einfließen, halte ich mich zurück, zeitliche Vorhersagen zu treffen. Wir heißen aber Menschen willkommen, die unser Projekt unterstützen wollen. Unsere Arbeit ist nur durch Spenden vieler Personen möglich, die mit Leidenschaft hinter der Forschung stehen, dieses Märchen Realität werden zu lassen. Wir sind sehr dankbar, dass viele an die positiven Auswirkungen dieser Bemühungen glauben. Je mehr Menschen sich daran beteiligen - ob finanziell oder anderweitig -, umso kürzer wird die Zeitspanne.