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Affen können sich Gedanken vorstellen

Von Eva Stanzl

Wissen

Menschenaffen bilden sich eine Vorstellung davon, was Menschen denken.


Kyoto/Edinburgh. Für unsere nächsten Verwandten sehen wir vielleicht alle gleich aus. Könnte man meinen, doch dem ist nicht so. Die Menschenaffen betrachten uns sogar so genau, dass sie sich eine Vorstellung davon machen können, was wir denken. Das berichtet ein Team der Universität Kyoto, des Max-Plank-Instituts für Evolutionäre Anthropologie und der University of St. Andrews im Fachmagazin "PNAS". Demzufolge verstehen Schimpansen, Bonobos oder Orang-Utans die Bewusstseinszustände der Menschen.

Die Frage, ob Tiere eine "Theory of Mind", also die Fähigkeit, Gefühle, Bedürfnisse, Ideen, Absichten, Erwartungen und Meinungen bei anderen zu vermuten, haben, wird seit Jahrzehnten wissenschaftlich diskutiert. Bereits zuvor hatte Studienautor Fumhiro Kano nachgewiesen, dass Menschenaffen die Handlungen von Menschen vorhersagen können, selbst wenn diese falsche Annahmen über die Wirklichkeit treffen. Hierzu hatten Kano und sein Team den Tieren einen Film gezeigt, in dem Menschen Objekte suchten, die hinter ihrem Rücken entfernt worden waren. Aus den Augenbewegungsmustern der Affen schlossen die Forscher, dass diese korrekt antizipierten, was der Mensch als Nächstes tun würde, nämlich das Objekt zu suchen, wo er es erwartete. Doch begriffen die Tiere wirklich, wie es dem Menschen dabei ging, oder verließen sie sich einfach auf eine Regel im Verhalten der Leute, die da lautete: Gehe dort hin, wo das Objekt zuletzt gesehen wurde.

Zwei Gruppen von Affen machten Erfahrungen mit zwei Arten von Stehwänden: Eine war völlig blickdicht, die andere wurde, aus der Nähe gesehen, transparent. Danach bekamen beide Gruppen dasselbe neue Video zu sehen. Im Film versteckte sich eine Person einmal hinter einer aus Sicht der Affen blickdichten und einmal aus der Sicht der Affen aus der Nähe transparenten Wand. Es wurde in beiden Varianten ein Objekt von der anderen Seite der Wand entfernt. Konnten die Affen aus ihren eigenen Erfahrungen schließen, ob die Person in der Lage sein würde, durch die Wand auf das Objekt zu schauen?

Mehr Gemeinsamkeitenals angenommen

Die Erwartung der Tiere bei der blickdichten Wand war, dass die Person das Objekt vor der Wand suchen würde, wo sie es immerhin zuletzt gesehen hatte. Bei der aus der Nähe transparenten Wand rechneten sie nicht damit, dass die Person zu suchen beginnen würde, da das Objekt entfernt worden war.

Die Forscher schließen Verhaltensregeln als Erklärung aus. Abgeleitet aus eigener Erfahrung, hatten die Menschenaffen das Verhalten ihrer Verwandten richtig interpretiert. "Das legt nahe, dass wir Menschen diese Fähigkeit mit unseren evolutionären Cousins teilen", betont Kano.