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Was das Tier-Genom verrät

Von Alexandra Grass

Wissen

Neue Daten helfen, Krankheiten des Menschen und das Aussterberisiko von Säugern zu verstehen.


Ein neuer genetischer Datensatz, den schwedische und US-amerikanische Wissenschafter nun hervorgebracht haben, soll die Forschung im Bereich der menschlichen Gesundheit vorantreiben. Er zeigt nicht nur auf, welche Arten vom Aussterben bedroht sein könnten, sondern hilft auch, Krankheiten besser zu verstehen oder etwa das Infektionsrisiko der Arten zu bewerten. Zuletzt wurden 47 Säugetiere identifiziert, bei denen die Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass sie Reservoire oder Zwischenwirte für das Coronavirus Sars-CoV-2 sind.

Der neue Datensatz mit dem Namen Zoonomia Project umfasst die gesamten Genome von mehr als 80 Prozent aller Säugetierfamilien und erstreckt sich über nahezu 110 Millionen Jahren Evolution. Er enthält auch mehr als 120 Arten, die zuvor noch nicht sequenziert worden waren.

Mutationen identifizieren

Wollen Wissenschafter verstehen, welche Mutationen zu Krankheiten wie Krebs, Herzleiden, Schizophrenie oder Stoffwechselbeschwerden führen, vergleichen sie die Genome vieler Patienten und übereinstimmender Kontrollpersonen. Oft finden sie zehn bis Hunderte von Regionen im Erbgut, die für Krankheiten verantwortlich sein können, was es sehr schwierig macht, diejenigen exakt zu bestimmen, die tatsächlich für eine Krankheit prädisponiert sind.

Während der Evolution mutieren die meisten Positionen in der DNA viele Male zufällig. Doch hat sich ein Merkmal innerhalb von 100 Millionen Jahren - also seit das erste Säugetier auf der Erde anzutreffen war - nicht verändert, hat diese spezifische Position sehr wahrscheinlich eine wichtige Funktion im Genom, beschreiben die Wissenschafter im Fachblatt "Nature". Mit Hilfe dieses Konzepts der evolutionären Einschränkung ist es viel einfacher, bedeutende Stellen im Genom auch zu finden.

"Der Vergleich der Genome von 240 Säugetieren wird Genetikern helfen, jene Mutationen zu identifizieren, die beim Menschen zu Krankheiten führen", betont Kerstin Lindblad-Toh von der Uppsala University und dem Broad Institute of MIT (Massachusetts Institute of Technology) und Harvard.

Geringer genetische Vielfalt

Bei der Analyse der neuen Genome stellten die Studienautoren auch fest, dass Säugetierarten mit hohen Aussterberaten eine geringere genetische Vielfalt aufweisen. In der Untersuchung zeigte sich nämlich bei Tieren, die auf der Roten Liste der gefährdeten Arten der IUCN (International Unio for Conservation of Nature) vertreten sind, weniger Variationen in ihrem Genom, was mit ihrem gefährdeten Status tatsächlich übereinstimmt.

Die Sequenzierung nur eines einzelnen Individuums könnte damit wichtige Informationen darüber liefern, welche Populationen einem höheren Risiko für das Aussterben ausgesetzt sind. Daraus können sich Schutzmaßnahmen ableiten lassen. Da der Klimawandel und mehr Tierlebensräume von menschlichen Aktivitäten betroffen sind, wird es immer wichtiger, gefährdete Arten zu schützen.

Auch lässt sich mit der detailreichen Auflistung bestimmen, wie sich bestimmte Arten an unterschiedliche Umgebungen anpassen, erklären die Forscher. Zum Beispiel haben einige Otter ein dickes, wasserbeständiges Fell entwickelt, und einige Mäuse, aber nicht alle, haben sich an den Winterschlaf angepasst. Diese tierischen Merkmale können dabei helfen, menschliche Merkmale wie Stoffwechselerkrankungen zu verstehen, heißt es in "Nature".

Zoonomia baut auf einem früheren Projekt, dem 29 Mammals Project, auf, das im Jahr 2006 mit der Sequenzierung von Säugetiergenomen begonnen hat. Es umfasst auch das Erbgut gefährdeter Arten.

Frei zugänglich

"Eines der aufregendsten Dinge am Zoonomia-Projekt ist, dass viele unserer Kernfragen sowohl innerhalb als auch außerhalb der Wissenschaft zugänglich sind", betont Erstautorin Diane Genereux von der Vertebrate Genomics Group am Broad Institute. "Durch die Gestaltung wissenschaftlicher Projekte, die für alle zugänglich sind, können wir Vorteile für die Gesundheit von Mensch und Umwelt zur Erhaltung der Biodiversität sicherstellen", so die Wissenschafterin.