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Borg-Gene als Methanfresserchen

Von Eva Stanzl

Wissen
Archaeen überleben sogar in siedenden Quellen und beherbergen mysteriöse DNA.
© wiki / Yellowstone

Neu entdeckte DNA-Strukturen könnten eine Rolle bei der Senkung von Treibhausgasen spielen.


Die Entdeckung ist mit Fragezeichen behaftet, wird mit einem schlagzeilenträchtigen Namen verkauft und hat jede Menge Fantasie. Eine US-Forscherin hat eine bisher unbekannte DNA-Struktur in ihrem Garten gefunden, die in Organismen außerhalb von Zellen und Chromosomen existiert.

Jill Bandfield, Geo-Mikrobiologin an der University of California in Berkeley, und ihr Student Basem Al-Shayeb waren auf der Suche nach Viren gewesen, die Archaeen befallen. Archaeen sind Mikroorganismen, die sich von Substanzen wie Schwefel oder Methan ernähren können und unter extremem Bedingungen überleben, etwa bei Temperaturen jenseits der 100 Grad Celsius oder in Erdschichten ohne Sauerstoff. Also gingen die beiden Forschenden in den Garten und gruben. Sie entnahmen Proben aus einem Meter Tiefe und sequenzierten Material, in dem sie die gesuchten Viren vermuteten. "Wie begannen mit einem Stück Matsch und zehn Trillionen (10 hoch 18) DNA-Stückchen," berichtet Banfield im Fachmagazin "Nature".

In einer Probe fanden sie und ihr Team ein besonders langes Stück lineare DNA, das sich aus einer Million Basenpaaren zusammensetzte, welche mit unbekannten Genen vollgepackt waren. Laut der Mikrobiologin sammeln die neuartigen Strukturen extrachromosomale Elemente von anderen Mikroorganismen aus ihrem Umfeld und reihen sie zu extra-langen DNA-Ketten. Angeregt durch ihren Sohn mit Vorliebe für Science Fiction, benannte Banfield die verblüffende Struktur daher nach den den fiktiven außerirdischen Borg, die in der Serie "Star Trek" mit dem Kampfspruch "Widerstand ist zwecklos. Sie werden assimiliert" auftreten, um sich das Wissen und die Technologie anderer Arten anzueignen.

Ihre Länge und die lineare (statt ringförmiger) Form hebt die Borg-Gene von vergleichbaren Strukturen in der Evolution ab. Borg können bis zu einem Drittel so lang werden wie die Hauptchromosomen der Mikroben, in denen sie leben.

Strukturen, die ihre eigene Evolution vorantreiben

Extrachromosomale Elemente oder ECEs heißen Strukturen, die Organismen zum Leben benötigen, aber nicht die Zellen und Chromosomen selbst bewohnen, sondern ihre eigene Evolution vorantreiben. Viren zählen zu dieser Klasse. Auch die im Erbgut weit verbreiteten Transposons, die im Genom herumspringen, gehören dazu. Ihre Enden ermöglichen es den Transposons, sich aus dem Genom herauszuschneiden und an anderer Stelle wieder einzusetzen. Auch bei Mitochondrien, die die Energiefabriken des Körpers darstellen, handelt es sich um kleine Elemente, die sich unabhängig von Zellen vermehren. Mitochondrien besitzen 37 eigene Gene mit dem Code zur Bildung von 13 Proteinen, die über die mütterlichen Mitochondrien an die Nachkommen gehen.

Weiters können Bakterien ECEs enthalten, etwa als Plasmide, die Antibiotika-Resistenzen weitergeben. Auch Krebs hat eine extra-chromosomale DNA, die das Wachstum von Tumoren antreibt. "Diese kleinen genetischen Einheiten können für sich genommen einen Vorteil ergeben und haben sich in der Evolution weiterentwickelt", erklärt der Wiener Molekularbiologe Ulrich Elling.

Borg-Gene stellen eine große DNA innerhalb von Bakterien dar. Banfield kann derzeit noch nicht erklären, wie sie entstanden sind, doch sie vermutet, dass sie sich aus einer verwandten Klasse in Archaeen gebildet haben, die sich Methanopereden nennen und Methan verstoffwechseln können.

Die Methanoxidation ist ein Stoffwechselprozess, der von verschiedenen Mikroorganismen in Symbiose durchgeführt wird. "Borg-Gene verbessern die Atmungsfähigkeit und die Reaktionsfähigkeit auf Umweltveränderungen. Sie könnten eine Rolle bei der Senkung von Treibhausgasen und Emissionen spielen", vermutet Banfield.

"Borgs sind DNA-Strukturen, die zwar nicht vergleichbar sind mit ECEs, wie wir sie bisher kennen, ihnen aber doch ähneln", sagt der Mikrobiologe Brett Baker von der University of Texas in Austin. Die im Pre-Print-Journal "bioRxiv1" erschienene Studie ist noch nicht durch Fachkollegen begutachtet. Mit Jennifer Doudna, Mitentdeckerin der Gen-Schere Crispr-Cas/9, steht in der Liste der Autorinnen aber die Nobelpreisträgerin für Chemie 2020.