Experten des Weltbiodiversitätsrats warnen vor dem Aussterben von einer Million Tier- und Pflanzenarten schon in den nächsten zehn Jahren und den Folgen für die Lebensgrundlage der Menschen. Seit Montag beraten rund 200 Vertragsstaaten der UNO-Konvention für die biologische Vielfalt (CBD) bei der Weltnaturkonferenz in der südwestchinesischen Stadt Kunming über eine Vorgehensweise, um diesem rasanten und gefährlichen Aussterben entgegenzuwirken. Es geht um Ziele für ein neues Rahmenabkommen - vergleichbar mit dem Pariser Klimaabkommen, auch wenn es weniger bindend sein wird.

Die virtuell stattfindende Konferenz war schon im Oktober 2020 geplant, wurde aber wegen der Pandemie verschoben und aufgeteilt. Trotz der Dringlichkeit, gegen das Artensterben vorzugehen, wurden Erwartungen für die Beratungen heruntergeschraubt. Auf dem Treffen soll zunächst nur eine "Erklärung von Kunming" verabschiedet werden. Es soll weitere Verhandlungen im Jänner vorbereiten, bevor die Strategie bei einem Präsenztreffen vom 25. April bis 8. Mai in Kunming verabschiedet werden soll.

20 Ziele verpufft

Die Umweltschutzorganisation Greenpeace Österreich plädierte für "starke Ziele". So müssten 30 Prozent der Meere bis zum Jahr 2030 unter starken Schutz gestellt werden "Für unsere Artenvielfalt ist es fünf vor zwölf. Die Profitgier von Industrien hat zu einer Biodiversitätskrise geführt. Die Meere werden leergefischt, die Wälder in Brand gesetzt und Natur zubetoniert. Politikerinnen und Politiker müssen endlich das Ruder herumreißen und bis zum nächsten Jahr nicht nur starke Artenschutzziele, sondern auch ein Regelwerk beschließen, mit dem diese Ziele erreicht und Tier und Pflanzenarten langfristig geschützt werden können", so Lukas Meus, Biodiversitätsexperte bei Greenpeace.

20 Ziele zum Schutz der Artenvielfalt hatte sich die internationale Staatengemeinschaft 2010 gesetzt, die sogenannten Aichi-Ziele, benannt nach dem Verhandlungsort, der japanischen Präfektur Aichi. 2021 ist man davon weiter entfernt als jemals zu vor. Seit 1970 haben allein die Wirbeltier-Populationen im globalen Schnitt um 60 bis 70 Prozent abgenommen. Die Population von mehr als 40 Prozent der Insektenarten nimmt ab, ein Drittel ist vom Aussterben bedroht.

Deswegen fordern Greenpeace, Attac, die Katholische Jungschar, Fridays for Future und ÖBV-Via Campesina Austria in einem gemeinsamen Manifest eine Kehrtwende der Umweltpolitik, sagt Ursula Bittner von Greenpeace Österreich. Laut Manifest sterben jeden Tag 150 Tier- und Pflanzenarten aus, weil die Artenschutzmaßnahmen der Vergangenheit praktisch nicht wirksam waren.

"In den kommenden Monaten muss ein Durchbruch beim Artenschutz gelingen wie beim Pariser Klimaabkommen für den Klimaschutz", forderte der deutsche Entwicklungsminister Gerd Müller in Medienberichten. "Denn wir haben keine Zeit zu verlieren." Er erwarte von China als Gastgeber eine Führungsrolle. Der Artenschutz ist nach seinen Worten auch Vorbeugung gegen neue Pandemien: "Je mehr natürliche Lebensräume vernichtet werden, umso größer wird die Gefahr, dass weitere Viren vom Tier auf den Menschen überspringen und schwere Krankheiten auslösen."

Standards mit der WTO

Auch sollten die Industrieländer ihre Mittel zum Erhalt der Biodiversität in ärmeren Ländern verdoppeln, so Müller. Mit der Welthandelsorganisation (WTO) müssten zudem Mindeststandards für "entwaldungsfreie Lieferketten" verankert werden. "In Rotterdam oder Hamburg darf kein Schiff mehr anlegen, das Palmöl- und Sojaprodukte aus nicht zertifizierter Produktion zu uns bringt."

Die Konvention sei von "entscheidender Bedeutung", sagte Morgan Gillespy vom Resources Institute. "Wir sind auf die biologische Vielfalt angewiesen, um die Umwelt zu regulieren und einen bewohnbaren Planeten zu erhalten."