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Was James Webb der Menschheit liefern soll

Von Eva Stanzl

Wissen

Das Weltraumteleskop James Webb hat sein Ziel im All erreicht. In den kommenden Monaten soll es die Arbeit aufnehmen.


Das Weltraumteleskop James Webb hat sein 1,5 Millionen Kilometer von der Erde entferntes Ziel im All erreicht. Dieser zweiten Lagrange-Punkt (L2) ist ein Ort, an dem die Zentrifugalkraft der Sonne und die Gravitationskraft der Erde sich die Waage halten, weswegen ein leichter Körper, wie eine Raumsonde, antriebslos die massereiche Sonne in derselben Umlaufzeit wie die masseärmere Erde umkreisen kann. James Webb hat dort so etwas wie einen Dauerparkplatz, auf dem es seine Arbeit machen. Allerdings muss es sich immer wieder mit kleinen Manövern am Platz halten.

In den kommenden Wochen testet das James Webb Space Telescope (JWST) all seine Instrumente direkt im All. Diese wurden freilich schon am Boden auf Herz und Nieren geprüft, doch ihr Zusammenspiel lässt sich nur unter Live-Bedingungen im Weltraum prüfen. Bei dieser Arbeit ist das Teleskop auf sich gestellt. Wenn alle Durchläufe perfekt über die Bühne gehen, starten die wissenschaftlichen Messungen. Nach Angaben des Space Telescope Science Institute der US-Weltraubehörde Nasa soll JWST ab April hochauflösende Bilder liefern.

Das erste Licht im Universum

Das mit zehn Milliarden Euro teuerste jemals gebaute, größte und stärkste Weltraumteleskop, das von den USA, Europa und Kanada betrieben wird, soll die Geschichte des Universums vom Urknall bis zur Entstehung von Planeten erforschen. Mit High-Tech-Geräten misst es Infrarotstrahlen, die für das freie Auge unsichtbar sind. Es ist kälter als sein Vorgänger Hubble der US-Weltraumagentur Nasa und kann mit größerer Präzision weiter zurück in der Zeit messen.

Wärmestrahlung ist eine Störquelle für kosmische Messungen. JWST ist mit einer Kühlung für seine Instrumente ausgestattet und einem Schutzschild von der Größe eines Tennisplatzes, der die Sonnenstrahlen abschirmt. Niedrige Temperaturen ermöglichen von Umgebungshitzen rauschfreie Signale. JWST kann auch die längeren Wellen der bereits kälteren Objekte aus den Anfängen des Universums einfangen. "Das James Webb Teleskop soll die Frühzeit des Universums vor 13 Milliarden Jahren nach dem Urknall erforschen", sagt Gruppenleiter Luca Fossati vom Grazer Institut für Weltraumforschung der Akademie der Wissenschaften.

Aufbau von Galaxien

Kurz nach dem Big Bang war das All ein Meer von Elementarteilchen. Erst 300.000 Jahre später hatte es sich soweit abgekühlt, dass Elektronen von Protonen eingefangen werden und die Teilchen sich verbinden konnten. Aus diesem Prozess entstanden Wasserstoff- und Heliumatome, das Universum wurde neutral. Aus den neutralen Atomen bildeten sich erste Sterne. James Webb soll untersuchen, was nach der Entstehung der ersten Sterne geschehen ist. Die Astronomen wollen tausende der frühesten Sterne und Galaxien beobachten. Diese Galaxien sind so lichtschwach, dass sie bisher kaum untersucht werden konnten. "Wir haben im Grunde noch keine Ahnung, was damals passiert ist", sagt Fossati.

Heute sehen wir spiralenförmige, elliptische oder auch Haufen-Galaxien am Nachthimmel. Die Betrachtung ihrer Vorfahren soll Aufschluss geben, wie Materie sich organisiert, um im Laufe der Jahrmilliarden eine solche Vielfalt anzunehmen.

James Webb soll weiters die Geburt von Sternen beobachten. Eine bekannte Geburtsstätte dieser Art ist der Adlernebel. Wenn Sterne wachsen, erzeugen sie einen Druck, der sie umhüllende Gase wegbläst. Die Infrarot-Augen des JWST durchdringen die für das freie Auge undurchdringlichen Gaswolken.

Auch Planetensysteme stehen auf dem Programm des Forschungsteleskops. "JWST wird im Wesentlichen jede Art von Exoplaneten beobachten - heiße Jupiter, kalte Jupiter oder jupiterähnliche Planeten, die weit entfernt vom Mutterstern kreisen, Supererden und Sub-Neptune, aber auch Gesteinsplaneten wie die Erde", erklärt Planetenforscher Fossati.

Das Teleskop wird seine riesigen goldenen Spiegel nutzen, um diese Welten beim Transit an ihren Heimatsternen zu beobachten. Wenn ein Planet vor seine Sonne vorbeizieht, blockiert er das Licht, das sie ausstrahlt. In der Art der Lichtbrechung lässt sich die grundlegende Zusammensetzung - für Leben wären das etwa Sauerstoff, Wasser und Methan - und das Vorhandensein einer Atmosphäre erkennen.

In den vergangenen zehn Jahren hat das Kepler-Weltraumteleskop der Nasa tausende Exoplaneten aufgespürt. "Um nach bewohnbaren Planeten suchen zu können, müssen wir die gesamte Vielfalt dieser Exoplaneten verstehen, erklärt Natasha Batala vom Ames Research Center der Nasa, in einem Video der Serie "Entropy". Mit James Webb will die Forscherin genau sie beobachten. Auch das 40 Lichtjahre entfernte System der Trappist-1-Planeten, steht dabei auf dem Programm. Vor allem der Planet Trappist 1-c hatte für Furore gesorgt: Obwohl man davon ausgeht, dass er zu heiß ist für Leben, würde das Vorhandensein einer Atmosphäre andeuten, dass kühlere Welten des Systems ebenfalls eine solche besitzen könnten.

"‚Star Trek‘-Universum"

Mit Spannung wird erwartet, ob das JWST Entdeckungen machen wird, die unsere Auffassung der Welt verändern oder gar Spuren von Leben im All finden. Zumindest Letzteres hält Exoplaneten-Forscher Fossati in Anbetracht des kleinen Ausschnitts, den es beobachtet, für unwahrscheinlich. "Wir brauchen wirklich viel Glück", sagt er: "Wenn wir mit James Webb wirklich Leben finden, dann ist es überall im All."

Zwar ist Leben ein durchaus einfacher Prozess. "Aber nur ein kleiner Teil dieser Planeten, die nahe genug sind, um sie zu beobachten, liegt in der richtigen Distanz zu ihrem Stern. Ein noch kleinerer Teil hat die richtige Masse und Größe für Leben und ein noch einmal kleinerer Teil die richtige Entwicklung für Leben genommen", erklärt der Experte: "Wenn wir so etwas finden, hätte das eine enorme Relevanz. Dann wären wir wahrlich in einem ‚Star Trek‘-Universum, wo jeder Planet eine Art Leben hat." Wir bleiben gespannt.