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Wie Tiere sich stets regenerieren

Von Eva Stanzl

Wissen
Der Dreiband-Pantherwurm ist dank Stammzellen ein echter Überlebenskünstler.

Manche Quallen oder Plattwürmer ersetzen Gliedmaßen. Forscher wissen mehr darüber, wie.


Stammzellen sind ein Wunderwerk. Sie können Körperzellen reparieren, regenerieren und ersetzen. Bei den meisten Tieren, auch Menschen, können erwachsene Stammzellen jedoch nur genau jenen Zelltyp wieder herstellen, dem sie zugeordnet sind. So bilden Haarstammzellen nur Haar- oder Lungenstammzellen nur Lungenzellen.

Manche Quallen, Plattwürmer oder Schwämme verfügen hingegen selbst als Erwachsene über Stammzellpopulationen, die, so wie embryonale Stammzellen, pluripotent sind, sich also in nahezu jeden Zelltyp entwickeln können.

Wenn sich embryonale Stammzellen herstellen ließen, ohne dabei Embryonen zu verbrauchen, ließe sich eine Vielzahl von Krankheiten heilen und sogar eigene Organe züchten, die bei einer Transplantation keine Abstoßungsreaktionen hätten, lautet eine medizinische Hoffnung. Sie lässt sich mittlerweile mit Hilfe der Rückprogrammierung von Körperzellen in induzierte pluripotente Stammzellen ein Stück weit verwirklichen.

Was aber der Mensch der wissenschaftlichen Forschung abringen muss, ist bei manchen Wirbellosen ein Geschenk der Natur. Ihre Alleskönner, adulte pluripotente Stammzellen (aPSCs) genannt, ermöglichen eine Ganzkörperregeneration, verleihen den Zustand ewiger Jugend, oder lassen verlorene Gliedmaßen nachwachsen.

Pluripotenz ein Leben lang

Ein Forschungsteam ist dahintergekommen, wie adulte pluripotente Stammzellen entstehen. Im Fachjournal "Cell" berichtet die Abteilung für Organismus- und Evolutionsbiologie der Universität Harvard, welcher zelluläre Mechanismus und welche molekularen Wege für die Bildung von aPSCs zu Werke gehen.

Der Dreiband-Pantherwurm mit dem Fachnamen Hofstenia miamia zählt zur Gruppe der Acoela. Obwohl dieser Meeresbewohner nur wenige Millimeter groß ist, kann er jeden verlorenen Körperteil nachwachsen lassen. "Wenn wir verstehen, wie Tiere wie H. miamia aPS-Zellen bilden, können wir besser begreifen, was ihnen die Fähigkeit zur Regeneration verleiht", wird Srivastava in einer Aussendung zur Studie zitiert.

In einer früheren Arbeit hatte die Biologin Exemplare des Dreiband-Pantherwurms in der Natur gesammelt und dessen Genom entschlüsselt. Im Labor produzierte H. miamia Embryonen, die sie untersuchen konnte. Zusammen mit Koautor Lorenzo Ricci entwickelte sie ein Protokoll für die Transgenese des Wurms. Dabei wird fremdes, leuchtendes Material in das Genom eines Organismus eingeführt, damit die inneren Vorgänge besser sichtbar werden.

Es gibt einige einheitliche Merkmale von adulten pluripotenten Stammzellen bei erwachsenen Tieren, wie etwa die Expression eines Gens namens Piwi. Bisher ist aber noch nicht verstanden, "wie diese erwachsenen Alleskönner überhaupt entstehen", sagt Srivastava. Bekannt war nur, dass auch Wurmküken aPSCs besitzen. Daraus folgerten die Forschenden, dass sie schon früh in der Embryongenese gebildet werden. Mit Hilfe unterschiedlicher Farbgebungen durch Fotoumwandlung in Wellenlängen von grün und rot konnte "das Schicksal von Embryonalzellen" in verschiedenen Stadien erforscht werden, so Srivastava.

Das Team verfolgte die Abstammung der aPSCs, indem es die Wurm-Embryonen heranwachsen ließ und beobachtete, was passierte, wenn diese sich von einer einzelnen Zelle zu mehreren Zellen teilten. Im Frühstadium teilen sich die Zellen von Embryo zu Embryo nach genau demselben Muster. Daraus entstand die Idee, dass jede einzelne Zelle eine einzigartige Aufgabe haben könnte.

Um die Funktion jeder Zelle zu bestimmen, führte Studienleiter Julian Kimura systematisch eine Fotoumwandlung für jede Zelle des frühen Embryos durch und erstellte auf diese Weise eine komplette Schicksalskarte im Acht-Zellen-Stadium. Anschließend verfolgte er anhand der Markierungen jede Zelle, während der Wurm heranwuchs, über viele Embryonen hinweg. So konnte er nachvollziehen, wo genau jede Zelle arbeitete.

Um nachzuweisen, dass es sich auch um Stammzellen handelte, prüfte Kimura, ob sie während der Regeneration neues Gewebe bildeten. "Unsere Studie enthüllt eine Reihe von Genen, die für die Bildung von Stammzellen sehr wichtig sein könnten", sagt er. "Das ist für alle Arten von Bedeutung."

Das Team will den Mechanismus der Funktionsweise dieser Gene weiter erforschen, um herauszufinden, wie die Natur einen Weg zur Herstellung und Erhaltung pluripotenter Stammzellen entwickelt hat. Wenn es gelinge, diese Mechanismen artübergreifend zu vergleichen, ließe sich aufzeigen, wie sich die alleskönnenden Stammzellen bei verschiedenen Tieren ausgeprägt haben.