84 Tier- und Pflanzenarten galten im Jahr 2022 in der Roten Liste der Weltnaturschutzunion (IUCN) als in freier Wildbahn ausgestorben. Sie leben nur noch in Zoos, Aquarien und botanischen Gärten oder werden in Saatgutbanken erhalten. Die Auswilderung dieser Arten stellt sich als enorme Herausforderung dar, betont der Zoologe Donal Smith von Londoner Institute of Zoology im Fachblatt "Science". Mit einer aktuellen Arbeit richten Forscher ein Augenmerk auf diese Spezies, denn das Ausmaß der Bedrohung und das Risiko für ein Aussterben seien nur unzureichend bekannt.
Während es von einigen der nur in menschlicher Obhut lebenden registrierten Arten noch einige tausend Tiere oder Pflanzen gibt, sind es bei anderen nur noch eine Handvoll. Den Forschern zufolge werden die Arten weniger überwacht und häufig übersehen, da sich der Fokus oft eher auf bedrohte Arten richtet, die noch in der Wildnis anzutreffen sind.
Das zeige sich auch daran, dass seit 1950 elf Arten unter menschlicher Obhut ausgestorben seien. Nur zwölf hätten den Status als Wildtiere oder -pflanzen wiedererlangt.
28 bis 48 existierende Vogel- und Säugetierarten wären laut Studie zwischen 1993 und 2020 schon ausgerottet worden, wenn es nicht Maßnahmen wie den Schutz von Lebensräumen, Umsiedlungen und sogenannte Ex-situ-Erhaltungen - also etwa durch Zuchtanlagen oder Zoos.
Jene Arten, die bereits in freier Wildbahn als vollständig ausgerottet gelten, werden in der Liste der IUCN in der Kategorie "Extinct in the wild" (in der Natur ausgestorben) gereiht. Diese Kategorie beinhaltet nur noch Arten, von denen bekannt ist, dass sie lediglich noch in Kultur, in Gefangenschaft oder als eingebürgerte Population weit außerhalb ihres früheren Verbreitungsgebiets gehalten werden.
Einige wenige Erfolge
"Die von uns dargestellten Fälle zeichnen ein Bild von mehr als 70 Jahren, in denen versucht wurde, durch Ex-situ-Erhaltung das Aussterben von Arten zu verhindern und ihre Erholung zu erleichtern", erklärt Smith. Dabei werde sowohl die Fragilität dieses Status als auch das Potenzial für Erfolg trotz dieser Fragilität hervorgehoben. Trotzdem würden sie nach IUCN übersehen, da sich das Augenmerk im Allgemeinen nur auf Wildpopulationen konzentriert.
Die Studie zeigt, dass die meisten dieser in freier Wildbahn ausgestorbenen Populationen mit häufig weniger als 1.000 Individuen klein sind und eine geringe genetische Vielfalt aufweisen, da es nur eine begrenzte Anzahl von Populationsgründern gibt. Zudem hängen die meisten dieser Pflanzenarten von der Lebendvermehrung durch eine kleine Anzahl von Besitzern ab. Noch weniger sind in Saatgutbanken gesichert.
Und obwohl die Wiederansiedlung von Arten in der freien Natur bei einigen Spezies Erfolg gezeigt hat, sind entsprechende Versuche selten, stellen die Studienautoren fest. Ohne die Artenschutzbemühungen engagierter Organisationen wären etwa Säbelantilopen, mehrere polynesische Baumschnecken oder der gelb blühende Toromiro schon verloren, so Smith. Die bestehenden Möglichkeiten, verschwundene Arten zurückzubringen, müsse ergriffen werden. Doch sei es eine Herkulesaufgabe, betont Mitautor Axel Moehrenschlager von der IUCN. Angesichts der Klimakrise und dem Verlust der Artenvielfalt würden Einrichtungen wie Zoos, Aquarien, botanische Gärten und Saatgutbanken weiter an Bedeutung gewinnen.(gral/apa)