Eingeschleppte Tier- und Pflanzenarten kommen der Weltgemeinschaft noch ein Stück teurer zu stehen als Schäden durch Naturkatastrophen. Das zeigt ein internationales Forschungsteam, dem der Wiener Biodiversitätsforscher Franz Essl angehörte, in einer im Fachjournal "Perspectives in Ecology and Conservation" veröffentlichten Studie. Verheerende Erdbeben, Überschwemmungen oder Dürren sind demnach langfristig ein kleineres Übel als Ragweed & Co.
Insbesondere seit der Jahrtausendwende ist laut den Forschern die Belastung durch invasive Arten mit (Fachbegriff: Neobiota) angestiegen. Zumeist habe das mit menschlicher Aktivität durch weltweiten Warentransport oder intensive Reisetätigkeit zu tun. Als blinde Passagiere werden immer mehr Tiere und Pflanzen aus ihrem ursprünglichen Verbreitungsgebiet verschleppt.

Nicht alle, aber "einige gebietsfremde Arten werden für heimische Arten als Räuber, Konkurrenten oder Überträger von Krankheiten zum Problem", erklärt Franz Essl vom Department für Botanik und Biodiversitätsforschung der Universität Wien in einer Aussendung. Als Beispiele in Mitteleuropa nennt Österreichs "Wissenschafter des Jahres 2022" etwa die Pflanze Ragweed mit ihren allergenen Pollen, den Maiswurzelbohrer, der ein gefährlicher Schädling im Maisanbau ist, oder die unter Imkern als Parasit an Honigbienen gefürchtete Varroamilbe.
Das Bewusstsein für eingeschleppte Arten ist laut den Forschern im Vergleich zu jenem für Naturgefahren gering. Investitionen zur Bewältigung von Neobiota seien stark unterfinanziert und würden verzögert, schreiben sie. Daher hätten sie erstmals die Kosten der durch invasive Arten verursachten Schäden kalkuliert und mit jenen, die Naturkatastrophen verursachen, verglichen.
Nur Stürme sind teurer
Eine neue Datenbank beziffert die globalen Kosten für Neobiota-Schäden im Zeitraum zwischen 1980 und 2019 mit 1,2 Billionen US-Dollar (1,09 Billionen Euro) weltweit. Nur die Bewältigung von Sturmschäden, die in diesem Zeitraum 1,9 Billionen US-Dollar betrugen, kommt teurer. Im Gegenzug liegen die wirtschaftlichen Verluste durch invasive Arten über jenen durch Erdbeben und Überflutungen mit je 1,1 Billionen US-Dollar und sind um ein Vielfaches höher als Schäden durch Dürren, Waldbrände und andere Naturkatastrophen.
Essl verweist auf eine 2012 veröffentlichte Studie, wonach direkte, durch Ragweed in Deutschland verursachte Kosten bei 827 Millionen Euro lägen, etwa für Allergiker-Behandlungen oder Krankenstände. "Da Ragweed in Österreich häufiger ist und sich die Art in den vergangenen zehn Jahren deutlich ausgebreitet hat, lässt sich - bewusst konservativ - abschätzen, dass die Kosten für Österreich durch diese Art im Minimum bei etwa 80 Millionen Euro jährlich liegen", erklärt Essl.
"Das Ergebnis unserer Studie hat uns selbst überrascht", sagt Ko-Autor Phillip Haubrock vom deutschen Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt. Zudem hätten sich die Schäden invasiver Arten seit der Jahrtausendwende im Vergleich zu jenen im Zeitraum von 1980 bis 1999 versiebenfacht. Der Anstieg lag damit wesentlich höher als bei Naturkatastrophen.
Die Wissenschafter erachten es als wichtig, besser als bisher jene Arten frühzeitig zu identifizieren, die unter dem Einfluss des Klimawandels massive Schäden verursachen können. Ihre Einschleppung gelte es zu verhindern. "Es ist wichtig, die seit 2015 gültige EU-Verordnung zu invasiven Arten strikt umzusetzen und durch nationale Gesetze zu ergänzen", betont Essl. Für Österreich würde er sich eine "deutlich ambitioniertere Umsetzung" der EU-Verordnung wünschen. Zuständig seien Bundesländer und Behörden, wie etwa der Zoll bei der phytosanitären Inspektion von Importen.
Die Umsetzung sei zwar nicht leicht zu koordinieren, meint der Experte, jedoch sei es wichtig, "besonders für proaktive Maßnahmen wie Importkontrollen oder rasche Bekämpfung eingeschleppter Arten deutlich mehr an Ressourcen einzuplanen." Über einen gemeinsamen "Neobiota-Rapid Response Fonds" könne die Abwicklung rasch erfolgen.(apa/est)