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Kampftrinker im Regenwald

Von Kerstin Viering

Wissen

Menschen sind nicht die einzigen Lebewesen mit einem Faible für Alkohol.


Berlin. Prost! Bei wenigen anderen Gelegenheiten im Jahr wird so viel getrunken wie im Fasching. Doch wer Alkoholgenuss für eine menschliche Erfindung hält, täuscht sich. Manche Tiere vertragen in dieser Hinsicht wesentlich mehr als Homo sapiens.

Einige der lästigsten Alkohol-Fans kennt jeder, der schon einmal kleine Insekten aus seinem Bierglas gefischt hat. Die Fruchtfliegen der Gattung Drosophila scheinen von Bier magisch angezogen zu werden. Erst folgen sie dem Geruch, und sobald sie auf dem Glas gelandet sind, kommt ihr Geschmackssinn zum Einsatz. Erst kürzlich haben Insektenforscher um Anupama Dahanukar von der University of California einen speziellen Rezeptor entdeckt, der mit Nervenzellen im Mundbereich der Insekten verbunden ist. Er spricht auf die süßlich schmeckende Verbindung Glycerin an, die bei der Gärung entsteht und daher im Bier enthalten ist. Und sobald er dem Nervensystem der Tiere diese Substanz meldet, sind die Plagegeister kaum noch zu vertreiben. Dabei können sie genauso betrunken werden wie Menschen.

Wenn alkoholselige Insekten beim Fliegen das Gleichgewicht verlieren und unkoordiniert zu Boden trudeln, sind das deutliche Anzeichen für zu viele Promille im Körper. Allerdings haben manche Fliegen viel mehr mit solchen Ausfällen zu kämpfen als andere. Der Schlüssel für die Trinkfestigkeit liegt offenbar im Erbgut. Dort haben Henrike Scholz und ihre Kollegen von der Universität Würzburg 2005 ein Gen entdeckt, das sie nach dem englischen Wort für einen alkoholbedingten Kater auf den Namen "Hangover" getauft haben. Diese Erbinformation sorgt offenbar dafür, dass die Tiere ähnlich wie menschliche Gewohnheitstrinker mit der Zeit immer größere Alkoholmengen vertragen. "Hangover" sei Dank ist der zweite Rausch nicht mehr so schlimm wie der erste. Wenn das Gen nicht richtig funktioniert, wird aus einer Fliege dagegen nie ein echter Kampftrinker.

Insekten sind nicht die einzigen Tiere, die mitunter besoffen durch die Gegend torkeln. Aus England kommen immer wieder Berichte über halb weggetretene Igel, die mit Bier gefüllte Schneckenfallen ausgetrunken haben. Und Afrika-Reisende haben schon von Elefanten erzählt, die angeblich von den vergorenen Früchten des Marula-Baums berauscht über die Savanne wankten.

Diese Geschichten konnten Steve Morris und seine Kollegen von der University of Bristol in Großbritannien schon vor ein paar Jahren ins Reich der Legenden verweisen. Denn zum einen fressen die Dickhäuter diese Früchte fast nur frisch vom Baum. Auf dem Boden liegende Exemplare, die nach drei oder vier Tagen Gärung tatsächlich rund drei Prozent Alkohol enthalten können, verschmähen sie dagegen meist. Zudem müssten die massigen Tiere nach Berechnungen der Forscher davon schon das Vierfache einer normalen Tagesration in sich stopfen, um sich einen merklichen Rausch anzufressen. Wenn im Umkreis von Marula-Bäumen tatsächlich torkelnde Elefanten auffallen, so vermuten die Experten, dass diese Tiere Rinde von den Stämmen geschält und dabei giftige Käferpuppen mitgefressen haben. Die darin enthaltenen Substanzen scheinen so auf das Nervensystem zu wirken, dass die Dickhäuter ihre Schritte nicht mehr richtig unter Kontrolle haben - ohne betrunken zu sein.

Im Regenwald von Malaysia werden dagegen echte Alkoholika an die Tierwelt ausgeschenkt, wie Frank Wiens und Annette Zitzmann von der Universität Bayreuth entdeckten, als sie die Blüten der Bertam-Palme Eugeissona tristis unter die Lupe nahmen. "Diese Palme braut ihr eigenes Bier", erläutert Frank Wiens. Ihre Knospen produzieren reichlich Nektar, der vergoren wird und dann bis zu 3,8 Prozent Alkohol enthält. Dieser Wert ist einer der höchsten, die je in einem natürlichen Nahrungsmittel gefunden wurden. Entsprechend wabert auch ein deutlicher Alkoholduft um die Blüten - und den finden etliche Säugetiere offenbar sehr reizvoll. Sieben Arten haben die Forscher als regelmäßige Gäste in der Palmenbrauerei identifiziert.

Der größte Fan dieses Drinks scheint das Federschwanz-Spitzhörnchen Ptilocercus lowii zu sein. In den Haaren dieser Tiere fand sich die beim Alkoholabbau entstehende Verbindung Ethylglucuronid in solchen Mengen, dass man beim Menschen einen lebensbedrohlichen Alkoholismus diagnostizieren müsste. Die Biologen beobachteten, dass jeder der nicht einmal 50 Gramm schweren Kletterkünstler pro Nacht etwa zwei Stunden mit Biertrinken beschäftigt ist. Ginge ihr Organismus ähnlich mit Alkohol um wie der des Menschen, müssten die Spitzhörnchen nach Berechnungen der Forscher mindestens jede dritte Nacht betrunken sein. Doch sie wirken immer völlig nüchtern. Offenbar kann ihr Stoffwechsel Alkohol besonders effektiv abbauen, sodass nächtlichen Trinkgelagen nichts mehr im Wege steht.

Unbekannte Tricks

Auch manche Fledermäuse, die sich von Nektar oder Früchten ernähren, haben gegen Alkohol nichts einzuwenden. Die Forscher vermuten, dass sich gerade in den Tropen besonders viele trinkfeste Arten entwickelt haben. Dort lässt das heiße Klima Früchte und Nektar besonders schnell gären, sodass Alkohol für dortige Flattertiere zum Alltag gehören dürfte. Stundenlang hilflos betrunken herumzuhängen, können sie sich angesichts der überall lauernden Feinde aber nicht leisten. Also haben sie im Laufe der Evolution noch unbekannte Stoffwechseltricks entwickelt, um ihre Flugtüchtigkeit zu erhalten. Um diese Fähigkeit dürfte sie so mancher Faschingstrinker in diesen Tagen beneiden.