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Die Reise im Auftrag der Venus

Von Eva Stanzl

Wissen

Die ersten Projekte zum Durchgang der Venus veränderten die Welt der Wissenschaft.


Wien. Kommende Woche beschert uns unser Nachbarplanet Venus ein erlesenes Schauspiel. Am Mittwoch, dem 6. Juni, zieht die Venus vor der Sonnenscheibe vorbei und sorgt damit für eine seltene Mini-Sonnenfinsternis, die das Zentralgestirn in intensiver Farbgebung erscheinen lässt. Venus ist dann als dunkle Kugel zu sehen, die vor dem Zentralgestirn entlang wandert von links nach rechts oben zum Rand. Das Ereignis beginnt in Österreich um 0.22 Uhr und kann ab dem Sonnenaufgang betrachtet werden.

Kaum jemand wird zu Lebzeiten eine zweite Chance bekommen, einen Venus-Transit zu sehen. Die Durchgänge finden zwar immer paarweise statt, jedoch nur alle 105,5 bis 121,5 Jahre. So zog der Nachbarplanet zum letzten Mal 2004 vor der Sonne vorbei. Das nächste Mal wird das Ereignis 2117 stattfinden und danach das nächste Mal sichtbar in Österreich am 8. Dezember 2125.

Venus ist die innere Nachbarin der Erde, von der Sonne gesehen nach Merkur der zweite Planet. Zu einem Durchgang kommt es, wenn sie die Erde, den dritten Planeten, auf der Innenbahn überholt und sich dabei genau zwischen uns und die Sonne schiebt. Zwar überrundet die Venus die Erde regelmäßig. Da jedoch die Umlaufbahnen beider Planeten leicht gegeneinander gekippt sind, zieht die Nachbarin am irdischen Himmel fast immer nördlich oder südlich an der Sonnenscheibe vorbei. Nur wenn das Überholmanöver genau am Kreuzungspunkt beider Bahnebenen stattfindet, schiebt sich die Venus vor die Sonne.

"Wunderschönes Spektakel"

Doch was hat es mit dem bemerkenswerten Schauspiel auf sich? "Heute, da ganze Sonnensysteme mit Radartechnik vermessen werden, ist es tatsächlich nicht viel mehr als ein wunderschönes Spektakel", sagt Hermann Mucke vom Astronomischen Büro in Wien. "Doch zu früheren Zeiten ermöglichte die genaue Vermessung des Venusdurchgangs Astronomen, alle anderen Entfernungen in unserem Sonnensystem und somit dessen Größe zu bestimmen."

Johannes Kepler hatte erstmals einen Venusdurchgang vorausberechnet, jenen von 1631. Zuvor hatte der dänische Astronom Tycho Brahe die Positionen der Planeten mit der Genauigkeit des freien Auges festgelegt. Anhand von Brahes Ergebnissen fertigte Kepler ein relatives Modell der Planetenbahnen an: Er wusste, wie sie zueinander stehen, aber nicht, wie weit sie voneinander entfernt sind. Wenn man nur eine einzige Größe darin präzise messen könnte, könnte man auch den Rest berechnen, war die Idee der Zeit. Und da die Venus der Erde nahe ist, wäre anhand ihrer eine genaue Entfernungsmessung möglich.

Allerdings war der Venusdurchgang von 1631 in Europa nicht zu sehen, da die Sonne zur Zeit des Transits unter dem Horizont stand. Kepler starb 1630. Der darauf folgende Durchgang von 1639 konnte mit seinen Daten nicht vorhergesagt werden, da sie um einige Stunden zu ungenau waren. Erst im Jahr 1716 erkannte der britische Astronom Edmond Halley, dass durch die Messung der exakten Dauer einer Venuspassage an möglichst weit voneinander entfernten Orten auf der Erde der Abstand zwischen Sonne und Erde bestimmt werden könne.

Was folgte, war eine beispiellose Expedition von Wissenschaftern in unterschiedliche Erdteile. Vor der Erfindung des Teleskops und zur Zeit des Siebenjährigen Krieges, in dem Nationen um Kolonien und Handelsmacht kämpften, segelten Astronomen aus Großbritannien, Frankreich, Deutschland und Russland nach China, Indien, Tahiti, Indonesien und an den nördlichen Polarkreis, um das ungewöhnliche Schauspiel zeitgleich zu beobachten. "Die Transit-Projekte im 18. Jahrhundert veränderten die Welt der Wissenschaft. Nie zuvor hatten Forscher auf globalem Niveau zusammengearbeitet, und diese internationalen Verbindungen kreierten das Fundament moderner Forschung, wie wir sie heute kennen", sagt Autorin Andrea Wulff zur "Wiener Zeitung". In ihrem Buch "Die Jagd auf die Venus" legt sie die Geschichte der Vermessung des Sonnensystems dar.

James Cook wurde berühmt

Aus dem vom französischen Hofastronomen Joseph-Nicolas Delisle ins Leben gerufenen Großprojekt resultierte James Cooks erste Südseereise 1768 bis 1771. Offiziell war der Seefahrer auf Empfehlung der Royal Society in London unterwegs, um den Durchgang der Venus vor der Sonnenscheibe auf Tahiti zu beobachten. Cooks Aufgabe war, eine Anzahl von Wissenschaftern samt ihren Instrumenten sicher auf die Insel und zurück zu bringen. Seine geheime Mission war freilich eine andere: Der Earl of Sandwich, Erster Lord der britischen Admiralität, hatte Cook beauftragt, einen von Kartografen postulierten Südkontinent, die Terra Australis incognita, zu finden. Man nahm an, dass sie ein Gegengewicht zu den Landmassen auf der Nordhalbkugel sein müsse.

Um ein Haar wäre der offizielle Teil der Mission schief gegangen. Einheimische auf Tahiti stahlen ein wichtiges Instrument, das Cook nur zurückbekam, indem er einige von ihnen in Geiselhaft nahm. Nach den letztendlich erfolgreichen Beobachtungen verließ sein Schiff "Endeavour" Tahiti im Juli 1769 mit Südkurs. Anfang Oktober sichtete er Neuseeland, das er kartografierte. Danach erreichte Cook die Ostküste Neu-Hollands, wie Australien nach seinen Entdeckern hieß, kartografierte das Land und nahm es formell als britische Kolonie New South Wales für die Krone in Besitz. Am 13. Juli 1771 setzte der Seefahrer wieder Fuß auf englischen Boden.

Die Astronomen nutzten indessen die unterschiedlichen Perspektiven weit auseinander liegender Orte zur Bestimmung der Entfernung der Erde zur Sonne. Sie maßen die Parallaxe - den Winkel zwischen zwei Geraden, die von verschiedenen Standorten auf denselben Punkt gerichtet sind - und setzten die Messergebnisse in Relation zur Erdrotation. Auf der Grundlage der Kepler’schen Gesetze gelang ihnen schließlich die Berechnung der Abstände aller anderen Planeten im Sonnensystem. Die Ergebnisse brachten erste Werte für die Astronomische Einheit von knapp 150.000 Millionen Kilometern - die Distanz von der Sonne zur Erde. Die Kenntnis der Größe des Sonnensystems erlaubte ihnen, auch den Abstand zu weiter entfernten Sternen zu berechnen.

Sonden messen im Flug

Heute messen Raumsonden die Größe von Planeten, Sternen und deren Umfeld im Vorbeiflug. "Früher war das ein Riesenproblem, da die Parallaxen entfernter Sterne so weit weg waren, dass ihr Winkel in etwa so groß war wie einige Millimeter auf der Wiener Rathausuhr, gesehen von der Urania-Sternwarte", erklärt Mucke. "Heute aber wissen wir, dass die fernste Galaxie 13,6 Milliarden Lichtjahre entfernt ist. Licht, das sich jenseits dieser Distanz befindet, erreicht uns nicht."

Geblieben ist die internationale Zusammenarbeit bei Pionierleistungen der Forschung. "Astronomie ist immer noch eine Wissenschaft, in der Forscher ihre Kapazitäten bündeln", betont Wulff. Das wohl bekannteste Projekt zur Erkundung des Universums ist der Large Hadron Collider am Europäischen Kernforschungszentrum Cern in Genf, der von 10.000 Experten aus mehr als 100 Ländern gebaut wurde.

Morgen im "extra": Die Venus-Expedition des österreichischen Astronomen Maximilian Hell

Siehe auch:
Der Pater und die Venus