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Auf Stein gebaut

Von Christina Mondolfo

Wissen

Vom Gebirge bis zum kleinen Kiesel - wir sind von Steinen umgeben. Oder genau gesagt von Gestein. Ohne das geht nämlich gar nichts.


Für viele sind Steine einfach nur Steine, unverrückbare, aber mehr oder weniger uninteressante Zeugen der Zeit. Geologen sehen das naturgemäß anders: "Tatsächlich bleibt über die Jahrtausende oder Jahrmillionen kein Stein auf dem anderen, denn es gibt Kreisläufe in der Natur, denen auch der härteste unter ihnen unterworfen ist. Aber er verschwindet nicht, er wird nur zu etwas Neuem und letztendlich vielleicht sogar wieder zu Stein", erklärt Andreas Thinschmidt, Geologe und Kurator der Ausstellung "Kiesel & Klunker" im Landesmuseum Niederösterreich in St. Pölten, im Gespräch mit dem "Wiener Journal". "Und auch wenn Steine im Grunde genommen tote Materie sind, sind sie dennoch ein spannendes Thema."

Ewiger Kreislauf

Gestein ist ein Aggregat aus Mineralien, diese wiederum sind feste, chemisch und physikalisch einheitliche Bestandteile der Erde und anderer Himmelskörper. Rund 4600 Mineralien kennt die Wissenschaft, die meisten davon sind anorganisch.

Doch wie immer gibt es Ausnahmen: So zählt auch Bernstein zu den Mineralien, obwohl es eine organische Substanz, nämlich versteinertes Baumharz, ist. Mineralien bilden regelmäßige Strukturen, die sich nach außen hin als geometrische Körper zeigen und als Kristalle bezeichnet werden. Hat ein Mineral keine innere Ordnung, nennt man es amorph. Zusätzlich zur Struktur ist auch die räumliche Lage und Verteilung der Mineralien in einem Gestein wichtig, alles zusammen ergibt das Gefüge des Gesteins.

Unterschieden werden Gesteine nach der Art ihrer Entstehung: Magmagesteine, die in der Erdkruste durch Abkühlung von Gesteinsschmelzen gebildet werden; metamorphe Gesteine, die bei der Umwandlung bereits vorhandener Gesteine durch Druck- und Temperatureinwirkung entstehen; sowie Sedimentgesteine, ein Produkt der Einwirkung von Naturkräften, also der Witterung. Sie alle unterliegen einem Kreislauf, der in groben Zügen folgendermaßen abläuft: Gesteine der oberen Erdkruste verwittern durch den Einfluss von Wasser, Wind oder Druck. Sie lagern sich als Sedimente ab, werden von anderen überdeckt und dadurch verfestigt. Sie sinken in Schichten ab, wo Druck und Temperatur wesentlich höher sind als an der Erdoberfläche - sie schmelzen und werden zu Magma. Dieses wiederum wird durch Aufschiebung durch die Plattentektonik oder durch Vulkanismus wieder an die Erdoberfläche gebracht, wo der Kreislauf von neuem beginnt.

Um diesen Prozess auch für Kinder und Laien zu veranschaulichen, haben Thinschmidt und Erich Steiner, ebenfalls Kurator der Ausstellung in St. Pölten, ein Rezept für rund ein Kilogramm "Wachauer Marmorkuchen", ein Umwandlungsgestein, erstellt: "Man nehme ein Kilogramm Kalkstein aus Calcit, ein wenig Dolomit und nach Geschmack Spurenelemente. Den Kalkstein allmählich auf 700 Grad bei 700 Millionen Pascal Druck erhitzen - oder mehrere zehn Kilometer tief ins Erdinnere schieben. Die Masse knapp vor und nach Erreichen der Maximaltemperatur ordentlich auswalzen und durchkneten - oder zwischen zwei Erdplatten legen, die sich gerade verschieben. Je mehr man knetet, desto deutlicher treten Bänder und Streifen hervor. Ihre Farben kann man durch die Wahl der Beigaben variieren. Das Ganze dann einige Millionen Jahre abkühlen lassen." Ein netter Versuch, der sich aber in einem Menschenleben also ganz bestimmt nicht umsetzen lässt...

Ganz schön alt

Das älteste bisher gefundene Gestein ist 4,28 Milliarden Jahre alt und stammt in der Hudson Bay in Kanada im Nuvvuagittuq-Grünsteingürtel. "Da können wir in Niederösterreich zwar nicht mithalten, aber auf 250 Millionen Jahre altes Gestein bringen wir es im Waldviertel auch", betont Thinschmidt. Allerdings wurden auch schon 3,5 Milliarden Jahre alte Zirkone gefunden. Sie gehören zu den Schmucksteinen ("der Begriff ‚Halbedelstein‘ ist verpönt, die Geologen sagen das nicht") und sind nahezu unverwüstlich: "Ein Zirkon wandert einfach durchs Gestein, der übersteht fast alles", zeigt sich Thinschmidt begeistert.

Wer sich für die Geologie Österreichs interessiert, muss nun aber nicht durchs ganze Land wandern: "In Niederösterreich haben wir Anteil an allen geologischen Zonen, nur die Südalpen sind nicht vertreten." Und so gibt es Kristallingesteine in der Böhmischen Masse oder im Leitha-gebirge, Kalkgestein und Karbonate im Semmering-/Wechselgebiet oder in den Hainburger Bergen sowie Molasse (der Abtragungsschutt der Alpen und der Böhmischen Masse) im Wiener Becken.

Besonders das Weinviertel ist ein Paradies für Fossiliensammler, hier findet man von versteinerten Tierknochen über Muscheln, Schnecken und Pflanzenteilen auch Haizähne oder sogar Backenzähne von Elefanten. Ganz Niederösterreich ist auch reich an Schmucksteinen, besonders oft werden Amethyste, Bergkristalle, Rauchquarz oder Opale gefunden. Selbst Gold gab (und gibt) es: "Bis 1820 wurde professionell in der Donau Gold gewaschen", weiß Thinschmidt.

Ohne Stein geht nichts

Das LM Niederösterreich versucht, den Menschen das Thema Steine näherzubringen.
© © Helmut Lackinger / pressefotoLACKINGER

Unser ganzes Leben ist quasi auf Stein gebaut, viele Gesteine sind als Rohstoff für die Bauindustrie und als Naturwerkstein von großer wirtschaftlicher Bedeutung. Vor allem Granit, Kalk- und Sandstein werden als Bau-, aber auch als Dekorsteine eingesetzt. Sand, entstanden durch chemische und physikalische Verwitterung anderer Gesteine, ist ebenso unverzichtbarer Bestandteil der Bauindustrie wie Zement, ein feines graues Pulver aus Kalkstein und Ton, und Mörtel, ein Bindemittel aus Kalk oder Zement und Gesteinskörnern mit maximal 4 Millimetern Korngröße. Schotter, unabdingbar für Drainagen oder Straßenunterbauten, ist ursprünglich eine Ablagerung aus runden Kieselsteinen, im Bauwesen versteht man darunter kantige, gebrochene Steine, die entweder mit Brechmaschinen hergestellt werden oder aus dem Abfall aus Steinbrüchen kommen.

Wer bei Boden an Erde denkt, liegt nicht falsch. Auch der Boden besteht aus verwittertem Gestein, das unter anderem durch Vegetation und Wasser mit Nährstoffen angereichert und so etwa zu Schwarz- beziehungsweise Braunerde oder Podsole, ein nährstoffarmer Boden in Nadelwäldern, wird. Die einzelnen Bodenschichten werden als Bodenhorizonte bezeichnet, sie unterscheiden sich in Farbe, Struktur, Gehalt an Humus, Mineralien, Ton, Nährstoffen und Stein voneinander. Im Gegensatz zu Stein bietet der Boden allerdings einer Vielzahl von Lebewesen Raum, die wiederum für dessen Qualität sorgen.

"Wir treten den Boden mit Füßen - in zweierlei Hinsicht", betont Thinschmidt. "Nicht nur, dass wir unser Leben darauf bauen, wir nutzen ihn auch aus." Als Teil des Naturhaushaltes mit seinen Wasser- und Nährstoffkreisläufen und als Rohstofflagerstätte ist Boden nutz-, aber nicht vermehrbar. Durch die Ausdehnung menschlicher Siedlungsgebiete und landwirtschaftlicher Aktivitäten hat sich bereits vielerorts eine Übernutzung bemerkbar gemacht, der tägliche Verlust riesiger Flächen durch Erosion, Verbauung oder Schadstoffkontamination macht den verbleibenden Boden zu einem kostbaren und noch stärker belasteten Gut. Doch ist der Boden zerstört, fehlt die Lebensgrundlage. Und die Zeit zu warten, bis aus Gestein erneut fruchtbarer Boden geworden ist, haben wir nicht mehr ...

Artikel erschienen im Wiener Journal vom 21. Juli 2012

Ausstellungs-Tipp:"Kiesel & Klunker: Vielfalt aus Niederösterreichs Boden", Ausstellung im Landesmuseum Niederösterreich, Kulturbezirk 5, 3100 St. Pölten, T: 02742/90 80 90
Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag von 9 - 17 Uhr. Die Ausstellung ist noch bis 17. März 2013 zu sehen.