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Pluto hat hohe, eisige Berge

Von Heiner Boberski

Wissen

Neue Fotos des Zwergplaneten und seiner Monde überraschen die Forschung.


Washington/Wien. Spätestens die letzten Tage dürften dazu geführt haben, dass mit dem Wort Pluto vorrangig der gerade von der Raumsonde "New Horizons" passierte Zwergplanet assoziiert wird. Der römische Gott der Unterwelt, nach dem der Himmelskörper benannt ist, und der gleichnamige Hund von Micky Maus sind in den Hintergrund geraten. Die gute PR, mit der die amerikanische Raumfahrtbehörde Nasa die Mission in den Kuipergürtel am Rande unseres Sonnensystems verkauft, trägt Früchte.

Nach und nach veröffentlicht die Nasa nun die ersten hoch aufgelösten Fotos und Daten vom Pluto und seinen Monden. Auf den Bildern sind unter anderem mehr als 3000 Meter hohe, eisige Berge auf der Oberfläche des Planeten zu erkennen. Sie dürften maximal 100 Millionen Jahre alt sein, sich über einem "unterirdischen Bett aus Eis" erheben und zum Unterschied von felsigen Erdgebirgen höchstwahrscheinlich aus extrem abgekühltem Wassereis bestehen. "Ich bin völlig überrascht", sagte Nasa-Manager Alan Stern in einer Pressekonferenz am Mittwoch.

"Eine der jüngsten Oberflächen im Sonnensystem"

Laut Wolfgang Baumjohann, der das Institut für Weltraumforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Graz leitet, "wusste man ja gar nicht, was man erwarten konnte". Wer vom Pluto, der 2006 zum Kleinplaneten 134340 degradiert wurde, ein Bild wie von unserem Mond vor Augen hatte, hat sich jedenfalls getäuscht, erklärte Baumjohann im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Statt Kratern finde man Gebirge und Risse - als ob Platten zusammengestoßen seien - und damit Hinweise auf tektonische Tätigkeit: "Es gibt dort noch Erdbeben, oder es muss sie gegeben haben." Der Nasa-Geologe Jeff Moore meinte: "Dies ist eine der jüngsten Oberflächen, die wir jemals im Sonnensystem gesehen haben."

Wenn die Nasa-Forscher annehmen, dass die Energie, die Pluto formt, vom Zerfall von radioaktivem Material im Inneren des Pluto stammt, gibt Baumjohann ihnen recht: "Das ist sehr wahrscheinlich. Das ist ja auch das, was auf der Erde die Erddynamik immer noch antreibt."

Fotos vom Plutomond Charon zeigen ebenfalls hohe Berge und außerdem kilometertiefe Gräben. Dieser Mond weist eine sehr dunkle Stelle auf, deren Entstehung sich die Wissenschafter noch nicht erklären können. "Charon hat uns völlig vom Hocker gerissen", sagte die Nasa-Wissenschafterin Cathy Holkin. Laut ihrem Nasa-Kollegen John Spencer hat auch der Trabant ein "überraschend jugendliches Aussehen". Damit sind, so Baumjohann, offenbar auch hier die Spuren geologischer Aktivität gemeint. "Unser Mond sieht nicht so jung aus, denn er hat viele Meteoriteneinschläge erleiden müssen." Ein Himmelskörper, den nicht viel Material bombardiert hat, behalte eher sein jugendliches Aussehen, erklärt der Grazer Weltraumforscher. "Die Dichte des Bombardierungsmaterials" sei jedenfalls am Rande des Sonnensystems "sicher geringer".

Dass im Kuipergürtel, durch den sich "New Horizons" nun bewegt, möglicherweise noch größere Himmelskörper als Pluto existieren, vielleicht sogar einer, der die Bezeichnung Planet verdient, schließen Experten nicht aus. Mike Brown vom California Institute of Technology, dessen Entdeckung des Zwergplaneten Eris entscheidend dazu beitrug, dass Pluto seinen Planetenstatus verlor, vermutet, "dass es mindestens ein, wenn nicht sogar mehrere bisher unbekannte Objekte dort draußen gibt".

Im Grunde gehe es, so Baumjohann, bei dieser Nasa-Mission, ebenso wie bei der Rosetta-Mission der Europäischen Weltraumagentur ESA zum Kometen "Tschuri", um neues Wissen zur Entstehung des Sonnensystems, darum seien solche "Überbleibsel" aus dieser Entstehungszeit vorrangige Forschungsobjekte.

Die von "New Horizons" beim Vorbeiflug am Pluto erhobenen Daten und angefertigten Fotos sollen in den kommenden 16 Monaten nach und nach zur Erde geschickt und untersucht werden. Neben Bildern vom Pluto und vom Mond Charon liegen auch bereits erstmals Fotos vom Plutomond Hydra in vergleichsweise hoher Auflösung vor.