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Verhiggst

Von Alexandra Grass

Wissen
Erste Kollisionen bei hoher Energie im Atlas-Experiment mit dem LHC. Cern

Aufgerüsteter Teilchenbeschleuniger liefert die ersten Nachweise - Gottesteilchen noch unauffindbar.


Wien. Pentaquarks, Neutrinos und Higgs-Boson - die Welt der Teilchenphysik konzentriert sich derzeit im Rahmen der Conference on High Energy Physics in Wien. Und seitdem der Teilchenbeschleuniger LHC (Large Hadron Collider) am Kernforschungszentrum Cern bei Genf nach zweijähriger Pause wieder und dazu noch mit fast doppelter Energie läuft, erwarten die Forscher mit großer Spannung die Daten der größten Maschine der Welt.

Mehr Energie denn je

Das erst vor wenigen Tagen entdeckte Pentaquark - eine Form von Materieteilchen, die bisher nur in der Theorie beschrieben wurde - zeigt auf, wie viel Potenzial darin steckt. Das Higgs-Boson wiederum, jener Baustein des Standardmodells der Teilchenphysik, dessen Existenz 2012 erstmals am Cern bestätigt wurde, hielt sich bisher noch versteckt, betonte am Montag Cern-Generaldirektor Rolf-Dieter Heuer. Damals erfolgte der Nachweis bei einer Kollisionsenergie von acht Teraelektronenvolt (TeV). Nach dem jüngsten Neustart fährt der LHC nun mit bis zu 13 TeV. Der Vorteil dieser hohen Energien: Je heftiger die Zusammenstöße sind, desto exotischere, bislang unbekannte Partikel könnten auftauchen.

Heuer glaubt fest daran, das Higgs-Teilchen wieder zu finden, das allen anderen Partikeln ihre Masse verleiht. Gerade das sei ja der Spaß an der Wissenschaft: "Nicht zu wissen, wann etwas passiert." Erst im Jahr 2013 waren die Physiker Peter Higgs und Francois Englert für ihre Vorhersage des Gottesteilchens mit dem Physik-Nobelpreis ausgezeichnet worden. Die nächsten Experimente werden zeigen, ob das Standardmodell auch auf diesem hohen Energielevel gültig ist, erklärte Heuer. Auf jeden Fall betreten die Forscher damit einmal mehr physikalisches Neuland.

Der unterirdische Ringtunnel des Teilchenbeschleunigers ist 27 Kilometer lang. In ihm werden zwei Strahlen, bestehend aus Paketen von je 100 Milliarden Protonen, in gegenläufiger Richtung fast auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigt und im Zentrum der Detektoren alle 50 Nanosekunden frontal zur Kollision gebracht. Wie Heuer berichtete, wird die Zahl der Pakete derzeit schrittweise erhöht, um die Zeit zwischen den Kollisionen zu halbieren. Die volle Auslastung soll bis Ende 2015 erreicht werden.

Dunkler Materie auf der Spur

Bei den Experimenten mit an Bord ist auch Österreich, wie Jochen Schieck, Leiter des Instituts für Hochenergiephysik der Österreichischen Akademie der Wissenschaften einmal mehr betonte. Vor allem im Bau von Spurdetektoren habe das Hephy international eine anerkannte Rolle eingenommen.

Die Daten, die beim Betrieb des LHC gesammelt werden, könnten auch Hinweise auf die Lösung des Rätsels der sogenannten "Dunklen Materie" liefern. Dieses mysteriöse Etwas ist es, das Galaxien eine zusätzliche Masse verleiht, um sie beieinander zu halten. Aktuellen Beobachtungen zufolge scheinen 80 Prozent des Universums aus Dunkler Materie zu bestehen. Die Forscher vermuten, dass die während des Urknalls produzierten Teilchen noch heute existieren.

"Die Teilchenphysik zeigt, wie Natur funktioniert", stellte Cern-Direktor Heuer fest. Dazu leistet auch der US-Astrophysiker Francis Halzen einen wichtigen Beitrag. Für seine Forschungen mit dem am Südpol platzierten Detektor IceCube zur Suche nach hochenergetischen extraterrestrischen Neutrinos hat er im Rahmen der Konferenz einen der Preise der European Physical Society erhalten. 2013 gelang zwar deren Nachweis, doch wisse man noch nicht viel über ihren Ursprung und die Kräfte, die sie antreiben. Er träumt auf jeden Fall von der nächsten galaktischen Supernova - jenes helle Aufleuchten eines Sterns am Ende seiner Lebenszeit. In der Hoffnung, dass sein Detektor zu diesem Zeitpunkt auch in Betrieb ist.