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Zähne sind der Schlüssel der Evolution

Von Eva Stanzl

Wissen
Sägerochen sind Modellorganismen für Paläontologen .
© wiki commons

Wiener Forscher haben Hinweise, dass die Kauwerkzeuge nicht von außen nach innen gewandert, sondern direkt im Kiefer entstanden sind.


Wien. Zähne gelten als Schlüssel der Evolution. Sie machen es möglich, Nahrung nicht nur zu ergreifen, sondern zu zerschneiden, zu zermalmen und zu kauen. Doch über die Entstehungsgeschichte dieser fantastischen Werkzeuge sind sich Wissenschafter nicht einig. Einen entscheidenden Hinweis liefert ein britisch-österreichisches Forscherteam in den "Proceedings of the Royal Society B". Analysen eines fossilen Sägerochens zeigen, dass sich die Kieferzähne nicht aus den Plakoidschuppen auf den Körpern der Tiere entwickelt haben, sondern im Körperinneren entstanden sind.

Zum Überblick: Nach dem Auftreten der ersten Wirbeltiere vor rund 560 Millionen Jahren entwickelten diese vor etwa 470 Millionen Jahren Kiefer. Forscher nehmen an, dass es danach eine Zeit lang Tiere mit Kiefer und Zahn-ähnlichen Strukturen, aber ohne Zähne, gab. "Wann und wie die Kauwerkzeuge genau entstanden sind und was Zähne überhaupt sind, ist eine der großen Kontroversen", betont Studienautor Jürgen Kriwet von der Universität Wien. Eine Theorie ist, dass sie Derivate der Außenhaut sind, die in den Mund gewandert sind. Typisch für frühe Wirbeltiere, wie etwa Panzerfische, die vor rund 400 Millionen Jahren auftraten, waren nämlich Schuppen auf der Körperoberfläche, deren Aufbau jenen der Kieferzähne ähnlich sind. "Die klassische Theorie ist daher, dass sich aus diesen Strukturen die Zähne entwickelt haben", erklärt der Paläontologe.

Manche Fische, wie die heutigen Karpfen, haben allerdings auch zahnartige Strukturen auf ihren Kiemenbögen weiter hinten im Rachen. Es gibt daher auch Überlegungen, wonach die Zähne von hinten im Rachenraum nach vorne gewandert sind. "Wir kommen zum Schluss, dass die Zähne von innen in den Kiefer eingewandert sind", sagt Kriwet: "Nur die Sägezähne sind Abkömmlinge der Hautschuppen. Sie sind aber völlig anders aufgebaut als Kieferzähne."

Unter den heutigen Wirbeltieren sind Knorpelfische, wie Haie und Rochen, die urtümlichsten lebenden Vertreter mit Zähnen. Daher sind sie Modellorganismen für Paläontologen. Das gilt besonders für Sägefische mit ihren beiden Zahn-Arten. Sägerochen etwa haben Kieferzähne, die wie ein Hai-Revolvergebiss nachwachsen, einen knorpeligen, seitlich mit Zähnen besetzten Auswuchs auf dem Kopf, der dem Beutefang dient, und Hautschuppen.

Die Forscher haben das fossile Gebiss eines 60 Millionen Jahre alten Sägerochens der Art Schizorhiza stromeri aus Marokko untersucht. Im Fund hätten sich Strukturen erhalten, die es bei heute lebenden Vertretern nicht mehr gibt. Sieht man sich nämlich heutige Sägerochen an, sehen die Säge- den Kieferzähnen mit Zahnschmelz und Pulpahöhle sehr ähnlich, was bisher als Hinweis für die Richtigkeit der Theorie zum Einwandern der Zähne in die Mundhöhle gewertet wurde.

Bei dem Rochen-Vorfahren zeigte sich ein anderes Bild. "Die Analyse mit Hilfe von hochauflösender Mikro-Computertomographie (CT) ergibt, dass sich die Zahnarten nur im histologischen Schnitt gleichen. Die Entwicklung der Ersatz-Sägezähne folgt jedoch einem ganz anderen Mechanismus als das Revolvergebiss, bei dem die Zähne wie am Fließband nachwachsen. Das legt den Schluss nahe, dass Kieferzähne im Maul entstanden sind", so Kriwet. Neue Einblicke in die Entstehung der Zähne könnten Aufschluss geben, was uns Wirbeltiere so erfolgreich macht. Der Paläontologe schränkt allerdings ein: "Noch fehlen die Fossilien, die unsere Theorie bestätigen."