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Die Biene war der Uhu

Von Roland Knauer und Eva Stanzl

Wissen

Bienen werden seit der Jungsteinzeit gezüchtet. Damals hielt das Wachs die Kochgefäße dicht.


Bristol/Wien. Menschen züchten Bienen seit mindestens 9000 Jahren. Steinzeitbauern haben sie im Nahen Osten gehalten und vor etwa 8500 Jahren nach Mitteleuropa gebracht. Österreichische Bauern machen sich die Insekten seit 7500 Jahren zu Nutze. Das berichtet ein britisches Forscherteam mit heimischer Beteiligung im Fachmagazin "Nature".

An sich überstehen Bienenstöcke und Insekten die Jahrtausende schlecht. Mangels Fossilienfunden wussten die Forscher daher bisher nicht, wann die Bienenzucht genau begann. Ihre Entstehungsgeschichte mussten sie aus Höhlenzeichnungen oder ägyptischen Wandmalereien ableiten. Darstellungen von Honigjägern und früher Bienenhaltung zeigen, dass der Mensch das fleißige Insekt schon seit Jahrtausenden hält. Über die Anfänge der Nutzbeziehung war jedoch wenig bekannt.

Bienenwachs, das aus einer Mischung verschiedener Fette besteht, ist hingegen leichter nachzuweisen als seine Erzeugerinnen. Im Erbgut der Bienen ist festgeschrieben, wie das Wachs herzustellen ist, somit ist die Zusammensetzung immer ähnlich. So wie Kriminalisten, die Personen anhand von Fingerabdrücken identifizieren, nutzten die Forscher des Instituts für Organische Geochemie der Universität Bristol die Fett-Mischung, um die Spuren steinzeitlichen Bienenwachses zu verfolgen.

Melanie Roffet-Salque und ihre Kollegen untersuchten 6400 Scherben von Tongefäßen aus 150 archäologischen Stätten in Europa, Kleinasien und Nordafrika. Der chemische "Fingerabdruck" wurde auf einem Großteil der Überreste von Küchen- und Vorratsgefäßen dieser ersten Bauern gefunden - für die Forscher ist dies ein Indiz für die weite Verbreitung der Bienenzucht bereits in der Jungsteinzeit. Der älteste Nachweis ist 9000 Jahre alt und stammt aus einer neolithischen Fundstätte in Anatolien. Im Nordwesten der heutigen Türkei sind solche Spuren 7500 Jahre alt. Aus der gleichen Zeit stammt im heutigen Rumänien gefundenes Bienenwachs. Die Überreste auf Keramiken aus Griechenland und Serbien sind nur wenige Jahrhunderte jünger.

Überreste südlich von Wien

"Der augenscheinlichste Nutzen einer Bienenzüchtung ist Honig. Unter prähistorischen Bauern war das Süßungsmittel sicherlich begehrt. Das Wachs könnte technologische, rituelle, kosmetische und medizinische Zwecken erfüllt haben", sagt Erstautorin Melanie Roffet-Salque: "Etwa haben es die Bauern verwendet, um poröse Keramiktöpfe zu imprägnieren und wasserdicht zu machen." In Brunn am Gebirge südlich von Wien gräbt der Archäologe Peter Stadler die Überreste der ältesten Bauernhöfe Österreichs aus. Die Scherben sind rund 7500 Jahre alt. In den Ton-Gefäßen bewahrten die Menschen vermutlich ihre Ernte und die daraus gewonnen Produkte auf. Mit Bienenwachs dichteten sie anschließend die Amphoren ab.

In Deutschland finden sich entsprechende Spuren in Niederhummel nicht weit vom Münchener Flughafen eineinhalb Jahrhunderte später, bald danach summten die Honigbienen auch im heutigen Polen. Auch in Dänemark und auf den britischen Inseln wiesen die Forscher die typische Fettmischung für Bienenwachs nach. In Schottland und Skandinavien fanden sie keinerlei Hinweise. Vermutlich war es den Bienen in diesen Breiten zu kalt und die Blüh-Saison zu kurz, um genug Nektar zu sammeln.

Peter Stadler vom Naturhistorischen Museum (NHM) Wien geht davon aus, dass die afrikanischen Bauern ihre Bienenstöcke mitgebracht haben. "Die Bienen sind nicht alleine aus Afrika gekommen, sondern sie kamen mit dem Menschen", sagt Stadler. Die Bauern rodeten Teile der Wälder, die damals Europa weitgehend bedeckten, um Weiden und Ackerland anzulegen. Dort wuchsen Büsche, Kräuter und Obstbäume. Die Blüten ernährten Bienenvölker und lieferten den Steinzeit-Imkern Honig und Bienenwachs.

Heute sind die Tiere aus der europäischen Landwirtschaft kaum mehr wegzudenken und ökologisch und ökonomisch enorm wichtig. Die Erkenntnisse haben Einzug in die Steinzeit-Ausstellungsräume des NHM gefunden, wo die Einwanderungswellen der Bienen auf einer Computersimulation zu sehen sind.