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Tauben als Diagnostiker

Von Eva Stanzl

Wissen

Tauben sind intelligent, sagen US-Forscher. Auf Computerbildern können sie nämlich erkennen, ob jemand Krebs hat oder nicht.


Wien. Es ist verblüffend, gibt aber auch Anlass zur Skepsis: Tauben können auf Diagnosebildern generalisierte Muster so gut erkennen, dass sie zwischen gesundem und krebsbefallenem Gewebe unterscheiden können. Das berichten US-Wissenschafter im Fachmagazin "Plos One". Auf Computerbildern von Mammographien können die Vögel demnach normales von an Brustkrebs erkranktem Gewebe unterscheiden, heißt es in einer Vorab-Meldung der Universität Iowa. Einer gewöhnlichen Stadttaube hätte das der Laie wohl kaum zugetraut.

Zusammen mit Kollegen der University of California trainierten die Forscher aber gerade diese Taubenart (Columbia livia) mit Hilfe eines Belohnungssystems, Gewebemuster einzuordnen. Richtige Zuordnungen wurden mit Futter belohnt, falsche nicht, dann mussten die Vögel einen neuen Anlauf nehmen.

Die gefiederten Freunde lernten zu generalisieren, was sie sahen, und die Bilder den zwei Kategorien, die für den Menschen gesund oder krank bedeuten, richtig zuzuteilen. Und wie beim Menschen war die Genauigkeit der "Diagnose" bei den gefiederten Medizinern laut den Forschern davon beeinflusst, ob die Bilder in Farbe oder schwarz-weiß waren.

Obwohl das Gehirn einer Taube nur etwa so groß ist wie eine Fingerspitze, scheinen die Vögel offenbar doch gewisse Gehirnfunktionen mit dem Menschen zu teilen. Bestimmte Nervenbahnen verlaufen ähnlich, manche Synapsen werden genau so geschlossen wie beim Menschen. Studienautor David Wassermann, Professor für die Wissenschaften von Psychologie und Gehirn an der Universität Iowa, sieht die Erkenntnisse sogar als "profunde Verbindung zwischen Mensch und Tier. Sogar entfernte Verwandte können komplexe Muster auf radiologischen Aufnahmen erkennen."

Mustererkennung bei Vögeln werfe auch ein neues Licht auf die visuelle Verarbeitung im menschlichen Gehirn. Darüber hinaus könnten Forscher mit Hilfe dieser Ergebnisse mehr über Auswirkungen von Bildqualität, Farbeneffekten, Kontrasten und Bildkompression für die Diagnosequalität lernen. Die Taube könne eine Vielzahl an Objekten und Bildmuster ausmachen. "Forschungsarbeiten der letzten 50 Jahre haben gezeigt, dass diese Tiere sogar Individuen und Gefühlsausdrücke auf menschlichen Gesichtern erkennen können", so Wassermann. Auch Buchstaben im Alphabet, unförmige Medikamentendöschen und sogar Gemälde von Monet und Picasso seien von Versuchstieren identifiziert worden. Auch das visuelle Erinnerungsvermögen sei beeindruckend. So wurde nachgewiesen, dass die Taube bis zu 1800 Bilder abspeichern kann.

Wassermann, der seit 40 Jahren über Tauben forscht, lobt das Talent der Tiere in der Pathologie. "Als wir ihnen hochauflösende Bilder von Krebsgewebe zeigten, lagen sie zu 99 Prozent richtig" wird er in der Aussendung zitiert: "Nicht einmal Menschen können diese Aufgabe immer in dieser Qualität lösen. Sie könnten uns glatt assistieren", betont er. Allerdings gibt die Aussendung vorab zur Publikation, deren Sperrfrist nach Redaktionsschluss endete, keinen Aufschluss darüber, wie genau die Vögel ihre Wahl kundtaten. Aufgrund der Zeitverschiebung war an den Universitäten Iowa und Kalifornien bis dahin noch niemand erreichbar.